190. Tag (11. in Amman): Wallfahren heisst für mich… (VI)

Heute gibt es keine Strecke.

Wallfahren heisst für mich: schweigen.

Jeden Tag haben wir nach dem geistlichen Impuls abgemacht, eine Stunde im Schweigen zu gehen. Auch wenn wir an vielen Tagen nicht nur die eine Stunde schweigend gelaufen sind, so war es gut, das abzumachen. Es ist eine Gemeinsamkeit und man weiss voneinander, jetzt will jeder/jede in der Stille sein. Über lange Strecken hat es sich zusätzlich ergeben, dass wir mehrere Stunden in Stille gegangen sind. Manchmal mussten wir explizit abmachen, ich möchte mir dir etwas besprechen, wann können wir das heute tun?
In diesem Schweigen kann ich den Regungen meiner Seele „nach-gehen“: Was treibt sich so alles in mir umher, was beunruhigt mich, was stärkt mich, an wen denke ich, wo ist Gott?
Lieder und ihre Melodien, die wir beim Morgengebet oder beim Impuls gesungen hatten, sind mir oft „nachgelaufen“, manchmal stundenlang. Als sie mir bewusst wurden, merkte ich, dass ihre Texte etwas von meiner Seele ins Wort brachten.
Es ist ein Lernen, sich selber auszuhalten. Und alles soll vor Gott in den Dienst dieser Wallfahrt gestellt werden.

Vielleicht entspricht da der Aufruf des Apostels Paulus: „Sorgt euch um nichts, sondern bringt in jeder Lage betend und flehend eure Bitten mit Dank vor Gott!“ (Phil 4,6) –
Aber insbesondere kann gelten: Erst als der Prophet Elija nach Sturm, Erdbeben und Feuer ein sanftes, leises Säuseln vernimmt, tritt er aus der Höhle hinaus und stellt sich vor den Herrn, der dann zu ihm spricht (1 Kön 19,11-14). So kann es vor diesem Schweigen in der Seele stürmisch, erschütternd und schmerzlich brennend zugehen, bevor die Stille Platz greift – und ich auf Gott warte.

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