Ich sitze im Haschem, dem ältesten Lokal Ammans, und esse einen Falaffel. Da setzt sich ein Jordanier hinzu. Als ich erzähle, dass ich aus der Schweiz komme, eröffnet er mir sofort, dass er 2009 für zwei Monate „artist in recidence“ in Aarau war. Bei Kaffee und Tee entsteht ein lebendiges Gespräch, wo ich unser Pilgerprojekt vorstelle und Raed Ibrahim, so sein Name, von seinem Leben als Künstler in Jordanien berichtet. Als ich ihn frage, was er in seiner Aarauer Zeit geschaffen hat, lädt er mich kurzerhand in sein nahes Atelier ein. Da angekommen, bleibt mir in der Tür fast der Atem stecken, denn da hängt ein Tableau mit Israelischer Flagge – ein Tabu in der arabischen Gesellschaft – , mit der Aufschrift „zion-it“ und der Anweisung „Nur nach ärztlicher Vorschrift einzunehmen“ an der Wand. Ich schaue mich um und stehe vor einer Kunstwerkserie „Ein Heilmittel für jedes Gebrechen“, in der Raed Arzneischachteln und Werbeplakate dafür geschaffen hat: Tabletten die Zionisten zu ertragen, eine Pille, die Frauen nach dem Geschlechtsverkehr wieder jungfräulich macht, eine Salbe gegen die Wunden häuslicher Gewalt, eine Injektion für Jordanier die Korruptionsgelüste zu nehmen etc. Ich bin begeistert, wie Read die heissesten Themen seiner Gesellschaft über diese künstlerische Verfremdung ansprechen kann. Dann zeigt er mir Fotos, wie er 2009 den Kanton Aargau in einer Kunstaktion zum „Staat Ismael“ ausrufen liess, die Bezirke in einer Kantonskarte nach zerstörten palästinensischen Dörfern benannte und einen Marienkäfer in die Mitte der Schweizerfahne platzierte. Nicht nur die eigenen Landsleute, sondern auch uns Schweizer verstand er also herauszufordern. Die Begegnung mit Raed hat mir drei unvergessliche Stunden gegeben und eine exemplarischen Einblick in die jordanische Gesellschaft aus der Sicht eines Künstlers. Ein echtes Pilgergeschenk.
(Über google ist mehr von Raed Ibrahim zu erfahren.)
-
Neueste Beiträge
Kategorien
Archive
- September 2014
- Mai 2014
- Juli 2013
- April 2013
- Dezember 2012
- Juni 2012
- Mai 2012
- April 2012
- März 2012
- Februar 2012
- Januar 2012
- Dezember 2011
- November 2011
- Oktober 2011
- September 2011
- August 2011
- Juli 2011
- Juni 2011
- Mai 2011
- April 2011
- März 2011
- Februar 2011
- Januar 2011
- Dezember 2010
- November 2010
- Oktober 2010
- September 2010
Meta
Mein Gott……lieber Christian……das ist einfach genial diese Begegnung !!!!
Und so farbig deine Schilderung ! Gruss von Gabrielle
Liebe Gabriel
ich habe im Internet gerade die ganze Aktion von Raed in Aarau entdeckt: http://www.ishmaelstate.com/index.html
Mit liebem Gruss
Christian
Herzlichen Dank,lieber Christian, für deine Angaben…. ich werde es mir anschauen….
und danke für die würdige Anrede….Gabriel…..er ist in unserem Bewusstsein……Frauen auf Erden mit seinem Namen schreiben sich oft „Gabrielle“….
Herzlichst !!
Liebe Gabrielle
Am 8. Dezember habe ich in der Liturgie wieder die Verkündigungserzählung aus dem Lukasevangelium gehört. Da spielt der Engel Gabriel eine entscheidende Rolle. In der späteren Theologiegeschichte wurde mal darüber gestritten, ob Engel männlich, weiblich oder geschlechtslos sind. eigentlich ist mir dies egal, solange sie ihren Jog gut ausführen: Boten bzw. Botinnen Gottes zu sein 🙂
Mit liebem Gruss
Christian
Lieber Christian,
die Verkündigungsgeschichte liebe ich sehr……vor allem altmodische Satzanfänge : „und es begab sich….“ und alles folgende geht mir tief !
So versuche ich auch das mir Aufgetragene so gut wie möglich zu leben,sprich,meinen Job gut zu machen……mit diesem klingenden Namen !
Alles Liebe ! Gabrielle