Der andere Nikolaus

Dass der Bischof von Myra im Advent seinen Gedenktag hat, hat Vor- und Nachteile. In einer andern Jahreszeit wäre dieser Nikolaus aus der heutigen Türkei in unseren Breitengraden weniger populär. Das christliche Brauchtum, das ihn zum Kindererzieher und Geschenksmann gemacht und mit verschiedensten Begleitern versehen hat, hätte nicht entstehen können. Dass sich aus Nikolaus in den letzten Jahren jedoch die hybride Figur eines Weihnachtsmanns entwickelt hat, empfinde ich als eher tragisch. Von all dem haben wir heute in Jordanien nichts gespürt. Auch um ein Seewunder, in dem Nikolaus nach der Legende in Seenot geratene Schiffe rettet – Myra liegt am Mittelmeer – , brauchten wir nicht zu bitten. Wir badeten heute bei angenehmer Temperatur im Toten Meer, doch an Ertrinken ist da ja nicht zu denken. So assoziieren wir zu Nikolaus nicht Lebkuchen und Mandrinchen, sondern Salzwasser und Badehosen. Natürlich bleibt am Ende dieses Tages der Mildtätigkeit und Standhaftigkeit diese Mannes zu gedenken: Als Sohn reicher Eltern hat er sein Erbe karitativ fruchtbar gemacht und in der Christenverfolgung von 310 den Glauben unter Folter nicht geleugnet.

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5 Kommentare zu Der andere Nikolaus

  1. Pia sagt:

    Lieber Christian,
    der Mensch lebt nicht vom Märtyrertum allein…
    Da ich die Sinnenfreudigkeit meiner Kirche sehr genieße, habe ich gerade
    voll Appetit in meinen süßen Weckmann gebissen, den uns unser Chef gestern nach dem Vorbild des Heiligen Nikolaus geschenkt hat für ein Jahr intensive Arbeit. Und was wäre, wenn Euch Eure Gastgeber auf der ganzen Reise als Christen den Blutzoll abverlangt hätten statt Euch Essen, Unterkunft und Schutz zu geben (;-)? Originell finde ich die Idee, Nikolaus mit Schlammkuren zu ehren. Vielleicht machen wir ihn über den Vatikan noch zum Schutzpatron aller BademeisterInnen?
    Einen kreativen Tag wünscht
    Pia

    • Christian Rutishauser sagt:

      Liebe Pia
      Unter welchen Umständen und mit welchen Mitteln auch immer: unser Leben soll ein Zeugnis sein.
      Mit einem herzlichen Gruss
      Christian

  2. Beat Näf sagt:

    Beim Cola-trinken (das Lieblingsgetränk meines Sohnes) schaue ich auf den Weihnachtsmann (auf allen Flaschen seit Wochen), und wie Christian frage ich mich auch, was geschieht. Doch die Geschichte des Nikolaus hat sich immer verändert, offenbar auch heute. Bei Tragödien geht etwas zu Ende, doch hier lebt eine Überlieferung noch immer. – Und heute, schon wieder ein Gedenktag eines Bischofs aus der Spätantike: Ambrosius. Und auch das Brauchtum, das mit diesem Patron Mailands verknüpft ist, wie verändert es sich.

    • Christian Rutishauser sagt:

      Lieber Beat
      Ja, die Mutationen und Akkumulationen, Reformen und Reinigungen von Überlieferungen ist ein sehr spannendes Thema. Dass wir heute Ambrosii gedenken, freut mich. Die Ambrosianische Liturgie, die noch lebt, sein Erbe im Exultet det Osternacht oder im theologischen Denken ist mir vertraut, weniger das Brauchtum.
      Einen herzlichen Gruss
      Christian

  3. elisabeth schwendinger sagt:

    Liebe Hildegard.
    Deine Gedichte sind wunderschön.
    Wir bringen unsere Pfarrblatt-Weihnachtsausgabe zum Druck und möchten so gerne 2 deiner
    Gedichte als Seitentext dazu nehmen.
    Dürfen wir das? Damit hätten viele eine große Freude.
    Um eine kurze Nachricht bin ich sehr dankbar. Elisabeth