188. Tag (9. in Amman): Wallfahren heisst für mich… (IV)

Heute gibt es keine Strecke. Es folgt Teil IV zum Thema Wallfahren.

Wallfahren heisst für mich: Gemeinschaft haben.
Die anderen richten auf, wenn ich ein Tief habe. Diese Freunde tragen mich mit, wenn ich an die Grenzen meiner Kräfte komme; auf diese Gemeinschaft kann ich mich verlassen. Sie hilft zur Disziplin, sei es beim Aufstehen oder sei es bei den Pausen.
Im Zusammenspiel der Aufmerksamkeit und der Fähigkeiten geht vieles leichter, anderes wird erst dadurch möglich. In der Gemeinschaft tauschen wir persönliche Erfahrungen aus, das Mitteilen von Glaubenseinsichten hat nur da seinen Platz. Da darf ich mich öffnen, aus mir heraustreten und auf die anderen zugehen. Vieles Schöne nehme ich zunächst nicht wahr, sondern erst, wenn ein anderer /eine andere mich darauf hinweist – sei es ein besonderer Stein, eine einzigartige Blume oder der Storchenzug am Himmel. Grossartige Momente werden doppelt schön, weil ich sie mit anderen teilen kann.
Gemeinschaft schützt mich davor, übermütig kühn zu sein, denn wir wollen alle vier gemeinsam an das Ziel kommen. Die MitpilgerInnen stutzen mich zurecht, wenn ich das Mass nicht behalte, sondern zu lange oder zu kurze Tagesetappen plane.
Mit ihnen kann ich schweigen und beten, oder sie beten für mich mit, wenn ich zu müde bin.
Dieser kleinen Gemeinschaft, die Tag und Nacht irgendwie zusammen ist, kann ich kaum ausweichen. Es braucht lange, bis man mit den Gewohnheiten und Macken der anderen leben lernt. Die Gruppe ist die Nagelprobe, ob wir Frieden im Kleinen leben können, für den wir auf dem Weg beten; dieses Grüpplein ist die Feuerprobe, ob wir Gespräch und korrektes Konfliktaustragen selber pflegen oder ob wir selber das nicht können, obwohl wir uns dafür einsetzen und es uns von anderen sosehr wünschen.

Diese kleine Gruppe ist eine winzige Kirche zwar im Kleinen, aber sie ist eine sehr echte und authentische, in ihrem Glanz und in ihren Schattenseiten.
Das darf ich erleben.

Danke euch anderen!

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2 Kommentare zu 188. Tag (9. in Amman): Wallfahren heisst für mich… (IV)

  1. Beat Näf sagt:

    Bilder für die Gemeinschaft / Profilierungen der Charakteristika von Gemeinschaften: Für die Bilder, welche für die christliche Gemeinschaft und die Kirche verwendet wurden und werden, zählt auch Maria. Irgendeinmal möchte ich darüber sprechen, wie es dazu kam und was man damit meinte. Ich habe den Eindruck, dass dieses Bild genau in der Zeit wichtig wurde, in der die Wallfahrt wichtig wurde, im 4. Jh. Heute dachte ich, ob es auch mit Helena zu tun hat. Ambrosius verbindet sie mit Maria. – Eigenartig dann, wie diese Vorstellungen ins Rheinland gelangen und von dort wieder zu uns. Nach Bonn etwa. Wo auch das Kopieren von Jerusalem so wichtig ist. Die Gemeinschaften werden durch solche Bezugnahmen gestärkt, vielleicht diszipliniert. Jedenfalls erhalten sie Bilder, Worte. Ohne Sprache und Bilder keine Gemeinschaft.

  2. Beat Näf sagt:

    Und heute – nach Ambrosius – Maria Empfängnis. Doch das Fest ist so gut wie vergessen, entfaltet kaum eine Wirkung hier. – Ob Franz sich an Paradosis 5 erinnert, Alois Müller, Ecclesia – Maria. Die Einheit Marias und der Kirche? Eine bemerkenswerte qualitativ herausragende Studie über dieses Bild und seine Entwicklung.