Auf der Terrasse

Die Jesuiten von Amman wohnen just neben unserem Hotel. Es ist schön, wir können jeden Morgen, noch vor dem Frühstück, an ihrer Eucharistiefeier teilnehmen. Und bei der Gelegenheit lernt man sich ein wenig kennen und wagt auch ganz alltägliche Fragen zu stellen. Zum Beispeil dürfen wir unsere Wäsche bei ihnen waschen, statt für jeden Socken und all die Unterhosen, die wir seit Monaten von Hand gewaschen hatten, einen oder zwei Franken hinzulegen. Und bei einer solchen Gelegenheit erfahren wir, dass es über der Hauskapelle eine wunderbare Dachterrasse gibt. Diese erkunden wir heute am frühen Nachmittag. Mit im Gepäck haben wir diverse Nüsse und Chips und – ganz wichtig – eine Flasche Weisswein. Ach, ist das schön. Die Aussicht über Amman, die angenehme Sonnenwärme, der man sich ungeschützt aussetzen darf und – ganz wichtig – der Weisswein. Seit wie lange schon warten wir darauf, wieder einmal ein Glas trinken zu können. So mundet es ausgezeichnet. Wir spüren aber allesamt sofort, dass wir den Wein nicht mehr gewohnt sind. Esther muss sich grad eine Stunde hinlegen. Natürlich auf der Terrasse. Franz, ganz praktisch, findet eine Steckdose und macht Gebrauch vom freien Internetzugang, kann heute sogar als erster einen Blog ins Netz stellen. Natürlich auf der Terrasse. Und Hildegard nutzt die Zeit, um 28 Adressen auf Postkarten zu schreiben. Auf der Terrasse. Christian ist nicht dabei. Ein Kopfweh hat ihn vom Wein abstinent sein lassen. Und von der Terrasse.

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4 Kommentare zu Auf der Terrasse

  1. Marie-Louise Beyeler sagt:

    Ihr Glückspilze! Eine Terrasse im Orient, die warme Sonne und ein Gläschen Weisswein – so schön ist Pilgern !?!
    Ich bin in Gedanken und Gebet bei euch und freue mich, dass ihr nun ein paar Tage ausruhen könnt.
    Ganz liebe Grüsse aus Bern, Marie-Louise

  2. LausA sagt:

    Gute Besserung für Christian!

  3. Elisabeth S. sagt:

    Liebe Hildegard,
    Beim Gedanken an Euch: Ist es nicht auch schön, fern ab vom Weihnachtsrummel zu sein, dem Gestresstsein der Menschen hier, der Hektik, dem Advents- Kitsch, und das ihr so viel Zeit für die innere Vorbereitung auf Weihnachten habt, das wünschen wir uns doch so oft in der sonst so regen Betriebsamkeit im Advent. Ich finde, eine gute Idee von Gott, Euch „Ruhig zu stellen“, dass Ihr innehalten könnt vor dem Einzug nach Jerusalem 🙂 Und Du scheinst es ja zu genießen, das ist toll.
    Hier noch ein versuchtes Adventsgedicht bzw. Adventsgedanken, nicht nur für eine Karte aus Amman:
    Advent
    Ankommen.
    Eher Anhalten.
    Bei wem ankommen. Bei Gott. Bei den Menschen. Bei mir?
    Ich beschließe folgendes:
    Advent:
    Zeit nehmen für die alte Frau im Supermarkt, die verzweifelt ihre 1-Euro-Münze sucht, ich entscheide spontan, meinen hektischen Terminkalender außer acht zu lassen, und nach 5 Minuten gemeinsamer Suche finden wir die Münze, und ihr glückliches Lächeln erzeugt Lächeln in meinem Herzen und wischt den Gedanken beiseite, ob ich nicht besseres zu tun habe??
    Ich beschließe, an einem Samstagnachmittag, bei rappelvoller Stadt, selbst genervt, jeder Verkäuferin, der ich in den übervollen Supermärkten an den Kassen begegne, ein Lächeln aufs Gesicht zu zaubern, einmal durch ein paar nette Worte, ein anderes Mal Verständnis zeigen für ihren Streß, ein anderes Mal erzähle ich einen Witz…bei den meisten gelingt es mir und deren Lächeln erzeugt ein Lächeln auch in meinem Herzen. Vor wenigen Wochen mal wieder ein Werder-Fussballspiel in der Stadt, hab keine Zeit es mir anzusehen, bleibe bei einer Kneipe stehen, wo man reinschauen kann auf die Leinwand, wo das Spiel übertragen wird, ich fang mit einem älteren Herrn, der auch draußen davor steht, ein Gespräch an über das Fussballspiel, wir fachsimpeln ein paar Minuten, seine Einsamkeit in seinem Gesicht verschwindet, er lächelt, ich auch, wir fühlen uns beide in diesem Moment nicht einsam, es waren nur wenige Minuten, warme Minuten.
    Wenn ich entnervt bin, weil wieder unzählige PatientInnen in der Adventszeit anrufen, versuch ich freundlicher als sonst zu sein.
    Ich überlege, was ich selber brauche, um mich der Liebe Gottes mehr zu öffnen, nehme mir vor, mir mehr Zeit in der Stille mit ihm zu nehmen, damit ich liebevoller auch mit den anderen Menschen sein kann. Ich nehme wir vor, mein immer wieder Scheitern an diesen Vorsätzen mit versöhnungsvoller Herzenswärme mir selbst gegenüber zu beantworten.
    und denke: So könnte es gehen, Gott. Ich will die Öllampe für Dich am brennen halten, dass sie Dir leuchtet, wenn Du kommst.

    Ganz herzlichen Gruß an Dich und die anderen drei.
    Elisabeth

    • Hildegard Aepli sagt:

      Liebe Elisabeth, dein Advent gefällt mir sehr gut. Ja, wir dürfen eine ruhige, nicht verplante unaufgeregte und doch ausgefüllte Zeit erleben.
      Herzlichste Grüsse und ein Herzenslächeln! Hildegard