Verjagt werden und Gastfreundschaft erleben

Im Verlauf des Morgens kommen wir zu einem Anwesen mit zwei Häusern, dazwischen ein Platz mit einem Brunnen. Den Herrn auf dem Platz fragen wir, ob wir zum Brunnen dürfen und Wasser holen. Er erlaubt es. Wir gehen zum Brunnen, setzten uns nieder, füllen die Flaschen, essen einige Nüsse. Franz schaut sich etwas um und wirft auch einen Blick in den offenen Unterstand, wo Auto und Räder stehen. Der Herr, der in der Zwischenzeit zwischen den Häusern hin und her ging, kam aus dem einen Haus und fuhr Franz in einer Heftigkeit an, wie ich seit langem niemanden mehr hörte: Er würde in Privateigentum herumschnüffeln; wir dürften hier nicht Picknick machen, denn er hätte nur erlaubt, Wasser zu holen; wir wären unverschämt auf seinem Privatgrund… Angesichts der Tirade von Anschuldigungen verstanden wir die Welt nicht mehr. Franz schwieg und bei einem kleinen Versuch der Rechtfertigung drohte der Herr, gleich die Polizei zu holen. Wir sollten so rasch wie möglich verschwinden. Unter seinen wiederholten, lauten Empörungsrufen, die in keinem Verhältnis dazu standen, dass wir am Brunnen und auf dem Platz waren, schulterten wir die Rucksäcke und gingen schweigend weiter auf den Weg.

Gastfreundschaft in Schlatten

Gastfreundschaft in Schlatten

Gegen Abend hatten wir mit Karl-Heinz Kronawetter, dem Internetbeauftragten der Diözese Gurk-Klagenfurt, einen Treffpunkt in Winkl unter der Autobahnbrücke ausgemacht. Wir wussten, dass er und vielleicht noch jemand die letzte Stunde des Tages mitgehen und ein Interview mit uns machen würde. Wir vier Pilger waren zu früh bei der Brücke, warteten im Schatten eines Nussbaums, bis ein Herr vorfuhr und meinte, wir würden 100 m weiter unten nach der Kurve erwartet. So nahmen wir den Rucksack auf uns und gingen da hin, wo schon eine Handvoll Leute standen. Neben Karl-Heinz waren Monika, die Pastoralassistentin des Ortes, und Leute da, die sich über Facebooks Flashmob gesammelt hatten. Von vier war unsere Gruppe auf einmal auf zehn Personen angewachsen. Ganz überrascht gingen wir nun gemeinsam das letzte Stück des Tages und lernten uns dabei erst kennen: Gregor der Bäcker, Heinz ein Informatiker, eine kleine Schwester Jesu, die im Algerien und Ägypten lebte, Nadja von der slowenisch sprachigen Presse etc. Wir kamen zu einer kleinen Kapelle, wo wir uns zu einer Abendandacht einfanden, die Monika vorbereitet hatte. Danach war die Gruppe auf zwölf Personen angewachsen und im Vorhof der Kapelle wurde der Tisch reichlich mit Getränken und Esswaren gedeckt: Gastfreunschaft, alles von Monika vorbereitet für die, die zu dieser Begegnung hinzustossen wollten. Karl-Heinz machte in dieser Zeit diskret seine Arbeit und lud uns vier Pilger nacheinander vor die Kamera, damit er Material für einen Youtube-Film hat. Nach dem freudigen Zusammensein im warmen Abendlicht konnten wir noch ein Picknick für den nächsten Tag mitnehmen und dann zur Unterkunft gehen, die bei einem Ehepaar in einem Haus in der Nähe vorbereitet wurde. Ein überraschend schöner Abend! Ein Dankeschön von Herzen!

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7 Kommentare zu Verjagt werden und Gastfreundschaft erleben

  1. Nadja sagt:

    Ich bedanke mich auch für den schönen und interessanten Abend und wünsche Euch noch viele schöne Abende auf eurer Pilgerreise!

    • Kl.Sr. Monika Miriam sagt:

      Der Flashmob in Winkl war echt super!
      Erst heute aber ganz von Herzen kommt mein Gruss:
      Ich war so berührt mit Euch ein ganz kleines Stück des Weges zu gehen. Es hat meine eigene Pilgersehnsucht wieder geweckt.
      Ich wünsche Euch ganz viele gastfreundliche Orte und Herzen und begleite Euch innerlich.Diese Gastfreundschaft habe ich vorallem bei den Menschen in Nordafrika kennengelernt, die doch eine andere Religion und Kultur haben.
      Ich bin schon gespannt, was Ihr in den slawischen und dann auch muslimischen Ländern erlebt.
      einen guten Weg!
      Monika Miriam

  2. Roland sagt:

    Hoi mitenand
    Ich lese immer mit grosser Freude Eure Kommentare und Gedanken. Herzlichen Dank dafür. Es geht sogar soweit, dass ich regelmässig vom Pilgern träume und im Unruheschlaf daran arbeite.

    Doch gestern Abend erlebten wir auf dem Klosterplatz von St. Gallen: I. Lombardi von Giusppe Verdi und dabei lässt Verdi im Dritten Akt die Pilger singen: „JERUSALEM!… JERUSALEM!… Die grosse, die verheissene Stadt! … Die Girlanden Gottes sind bereit!“ Verdi schliesst mit einem Chor und folgendem Text: „Wir preisen sich, grosser Gott des Sieges, wir preisen dich, unbesiegbarer Herr! Du bist die Erlösung, der Führer und der Ruhm der Tapferen, die dir das Herz öffnen“
    Ich wünsche Euch Gottes Segen für Euer wichtiges Wirken.

    Mit lieben Grüssen

    Roland

  3. Monique sagt:

    Lieber Christian
    Was veranlasst Menschen, damals (siehe Mk 6,11) wie heute, Menschen zu verjagen? Ist es Angst, Macht, Überheblichkeit?
    Doch freue ich mich mit Euch, dass Ihr meistens Gastfreundschaft erlebt!
    Danke für Eure geteilten Erfahrungen!
    Monique

  4. Ja, das hat viel Spass gemacht, den Flashmob von hier zu Hause aus anzustiften. Viele neue Erkenntnisse übers Social Web. Vorallem und zuerst aber möchte ich Karl-Heinz Kronawetter und Monika Hafner danken, dass sie so spontan ja gesagt haben, als am anderen Ende des Facebook-Kanals eine wildfremde Frau aus der Schweiz um Unterstützung für einen #Pilgerflashmob in Kärnten fragte. Schön, wenn die Facebook-Freundschafts-Anfrage so konkrete Formen annimmt. Eine grosse Pilgerüberraschung ist gelungen! Alles alles Gute Euch beiden und weiter viel Lust und Freude an Eurer Arbeit!

    • Monika Hafner sagt:

      Liebe Andrea, liebe Jerusalempilger,
      dankbar blicke ich zurück auf den gestrigen Abend und die herzliche Begegnung. Schön, liebe Andrea, dass du uns eingebunden hast – so bin ich bereichert und versichert mit fünf neu kennen gelernten und lieben Menschen im Glauben unterwegs zu sein. Wünsche Euch, liebe Hildegard, liebe Ester, lieber Christian, lieber Franz viel Freude, schöne Erfahrungen und vor allem „Gottes reichen Segen“ auf Eurem Weg!
      Shalom
      Monika

  5. Stephan sagt:

    Egal wie verwerflich, das Kapitel „Der böse Brunnenbesitzer“ gehört natürlich in jede gute Pilgerbiographie!

    Gute Wege und frische Brunnen wünsch ich Euch!