Zwischen Pilgern und Sesshaftigkeit

Die Wartezeit in Amman dauert bald seine zwei Wochen. Ich überlegte heute, wie wir Pilger uns in dieser Zeit verändert haben, respektive wie wir uns Richtung Sesshaftigkeit verschieben. Eine kleine Sammlung zu beiden Aspekten völlig ungeordnet:
– Wir liegen seit bald 14 Nächten im gleichen Bett. Brauchen keinen Rucksack zu packen. Die Wanderschuhe fristen ihr eigenes Wartedasein.
– Wir müssen kaum noch entscheiden, was und wo wir essen. Das Frühstücks- und Abendessenbuffet im Hotel erleichtern die Gruppendynamik. Mir scheint, dass alle die Freiheit geniessen, eine kleine Auswahl zu haben. Meine Freude an Suppe ist ungebrochen.
– Bei Begegnungen erzählen wir immer weniger, was wir in den letzten Monaten gemacht und was wir noch vor uns haben mit unserem Ziel: Zu Fuss nach Jerusalem.
– Im Badzimmer der Frauen haben sich die Toilettenartikel verdoppelt (ist eine völlig subjektive Schätzung). Es stehen Dinge bereit, die frau nicht notwendigerweise jeden Tag braucht.
– Wir laufen noch immer mit täglich den exakt gleichen Kleidern herum. Das bedeutet auch, dass wir nach wie vor kaum Zeit brauchen für die Überlegung, was denn angezogen werden soll. Das Lob auf die Icebreakerwäsche ist ungebrochen gross. Diese können wir ganze Wochen ohne Waschen auf uns tragen.

Wir Leuchten!

– Eine gewisse Monotonie im Tagesrhythmus bleibt sich gleich. Was vorher dem Laufen eingeräumt war, spielt sich jetzt – in zum Teil grauenhaften Sitzhaltungen – am Computer ab. Rückenschmerzen hatte keiner während der Pilgerschaft. Jetzt?
– Mit der Verausgabung von Geld pendeln wir zwischen manchmal schon beinahe westlichen Preisen und nahöstlicher Billigkeit. Ein Mittagessen mit Aussicht aufs Tote Meer samt einer Flasche Wein kostete 130 Fr. Ein Mittagessen im einheimischen Lokal mit Fruchtcocktail und Sattgewordensein an Kebab etc. kostete 13 Fr. Wir versuchen uns langsam daran zu gewöhnen, wie teuer bald alles wieder sein wird.
– Blogschreiben fällt meiner Wenigkeit schwerer. Die Monotonie am Computer bewerkstelligt zwar tolle Powerpointprodukte, aber keine Erlebnisse in Landschaft und Begegnung.

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2 Kommentare zu Zwischen Pilgern und Sesshaftigkeit

  1. LausA sagt:

    Das mehr als Warten, das Erwarten hat sicher einen guten Grund. Noch so wird das Ankommen in der Schweiz eine kalte Dusche sein. Ich wünsche euch, eurer Seele Zeit geben zu können, wenn sie etwas langsamer als das Flugzeug reist. Ich denke, solltet ihr diesen euern Seelen die Zeit nicht geben, sie werden sie sich nehmen.

    • Hildegard Aepli sagt:

      LausA, das ist dann doch trostvoll, dass sich die Seelen nehmen werden, was sie nicht bekommen.