Tabgha

am see

über das wasser gleitet mein auge
die nebel verschmelzen
empfindung
es glizzert der sonne licht
wie perlen kristallklar meine gedanken
die farben immer satter und rot
verdichtet sitz ich und sinne

zeit der geburt augenblick der erleuchtung?
sie offenbart was er war
fern den wassern

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217. Tag: Wallfahren heisst für mich… (XXV)

Wallfahren heisst für mich: am Ziel nicht bleiben können

Jede Wallfahrt hat zwar ein Ziel, aber es ist ein „vor-läufiges“ – kein endgültiges. Ich kann am Ziel, in Jerusalem, nicht bleiben.

Vor mehreren Jahren hatte ich von der Vorstellung Abschied genommen, je einmal nach Jerusalem und Israel zu kommen. Ich hatte eine Einschränkung, die mich daran hinderte: Ich konnte nicht als Tourist kommen, der die Schokoladenseite des Landes besichtigt, die schwierige und konfliktgeladene Situation der Menschen aber kaum beachtet. Ich wollte auch nicht als ein trockener akademischer Historiker kommen, der die Geschichte eifrig studiert, die mühevolle Gegenwart aber ausblendet, weil sie nicht zum Fachbereich gehört. Beides wollte ich nicht. Der Respekt vor den Menschen dieses Landes und der explosiven Lage sind mir wichtiger als akademisches Wissen und Studium oder gar steriles touristisches Beäugeln.
Deshalb hatte ich mich schon vor Jahren mit der Tatsache abgefunden, dass ich dieses Land und Jerusalem wohl nie in meinem Leben besuchen werde.

Als Christian aber von seiner Vision erzählte und mich fragte, ob ich mitgehe, war die Schwelle überwunden. Nur praktische Organisationsfragen waren zu beantworten.

Zu Fuss zu kommen, ist für mich respektvolle Begegnung mit den Menschen hier, den ich gern pflegen will. Mit dieser Art der Annäherung konnte ich meine Achtung vor den Menschen und ihrer mühevollen Situation zeigen und selber damit umgehen.

Grabeskirche bei Sonnenuntergang

Und jetzt muss ich von diesem irdischen Ziel wieder Abschied nehmen. Ich kann nicht bleiben, ich kann keine „Hütten bauen“ (Mk 9,5-10) und mich einrichten (- weil ich gerne länger geblieben wäre, fällt mir der Abschied jetzt schwer). Wir müssen vom Berg hinabsteigen in das Tal des Alltags. Dieses Jerusalem ist auch nur ein „vor-läufiges“ Ziel, zu dem wir zwar mehr als sechs Monate „hin-gelaufen“ sind, da bleiben können wir aber nicht. Unser Ziel ist das „himmlische Jerusalem“, das „von Gott her aus dem Himmel herabkommt“ (Offb 21,2), das „Reich Gottes“, das angebrochen ist (Lk 11,20), an dem wir – jeder an seinem Platz – mitbauen sollen (1 Kor 12,7).

Mein Platz ist nicht hier. Deshalb nehme ich wieder Abschied.

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Bei den Melkitinnen von Nazareth

Heute besuchten wir Nazareth, wo Jesus die grösste Zeit seines Lebens verbrachte; da aufwuchs er auf, lernte und ging seiner Arbeit nach. Nicht nur die Basiliken besuchten wir, sondern auch das Melkitinnenkloster „Mariae Verkündigung“. Vor über 20 Jahren hatte ich die Äbtissin Bushra kennengelernt und kehre seither immer wieder bei ihr ein. Es ist die Spiritualität der Ikonen, die mich anzieht. Dreifach scheint sie mir in diesem Kloster auf: In der Ikonenmalerei treffe ich zunächst das Handwerk und die Theologie der Ikone an. Das visualisierte Wort Gottes und die gemalte Tradition fasst den Inkarnationsgedanken auf eine Weise, dass das fundamentale Gebot, sich kein Bildnis zu machen, gewahrt und zugleich ausgelegt wird. In der erst vor 40 Jahren einheitlich ausgemahlten Kirche bestaune ich dann die Fresken, die Hand in Hand mit der Liturgie und dem Gebet gehen. Jedes mal empfinde ich, ich würde in die Inszenierung der Ikonen hineingenommen, in das heilige und heiligende Spiel, das mein Leben in die Geschichte mit Gott einschreibt. Schliesslich tritt in der Begegnung mit Mère Bushra selbst mir eine lebendige Ikone entgegen, wie ich wohl ohne Übertreibung sagen darf. Geformt von der einzigen Spieritualität, als Frau immer mehr Abbild Gottes zu werden.
Am Ende unserer Pilgerzeit heute wieder in diesem Kloster gestanden zu haben, verbindet mich mit dem inneren Weg dieser kontemplativen Schwestern, so wie unser äusseres Pilgern sich auch stets mit dem Exerzitienweg jener verband, die im Lassalle-Haus in den letzten sechs Monaten den Weg der grossen Exerzitien des Ignatius von Loyola gegangen sind. Mein äusserer Weg diente dem, was sie im inneren Weg gehen. Nazareth und das Lassalle-Haus, der Weg des Alltags!

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heimgehen

Mosaik in der Kirche von TabghaDie letzten Tage unseres Pilgerdaseins verbringen wir in Tabgha am See Genezareth, in der Wahlheimat von Jesus. Es ist der Ort, wo er zwei Fische und fünf Brote so verteilte, dass viele Menschen satt wurden. Tabgha liegt zudem am Fusse des Berges der Seligpreisungen. Hier hat Jesus seine eindrücklichste Predigt gehalten: Selig sind die arm sind vor Gott, die Trauernden, die reinen Herzens sind, die keine Gewalt anwenden, die hungern und dürsten nach Gerechtigkeit…

Ich selber finde mich vor der ganz ganz baldigen Heimreise immer wieder in einem Zustand der Ergriffenheit. Der Blick in die Landschaft, die Stille der Kirche oder ein Lied treffen mich wie die Ankunft in Jerusalem. Das folgende Gedicht ist in diesen Tagen entstanden:

heimgehen

vielleicht
ist es noch weniger
als zwei Fische und fünf Brote
die leeren Hände gar
voll eingesammelter Armseligkeit
und die scheue Frage
ob dieses Teilen
auch der Brotvermehrung dient
Hildegard Aepli

 

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216. Tag: Wallfahren heisst für mich… (XXIV)

Wallfahren heisst für mich: Eine grosse Vision darf ich haben

Diese Wallfahrt war die Idee und zunächst der Wunsch nur von Christian. Seit mehr als fünfzehn Jahren träumte er davon, einmal zu Fuss nach Jerusalem gehen zu können. Der Wunsch musste reifen, sich in eine Vision wandeln, damit er ausgesprochen und durchdacht werden kann. So hat er Hildegard vor sieben Jahren von dieser Vision erzählt und sie gewonnen mitzugehen.
Doch damit begannen erst die konkreten Überlegungen und Vorbereitungen. Es war ein langer Weg, bis daraus unsere Gruppe von vier PilgerInnen wurde, bis die Arbeit so organisiert war, dass es möglich wurde, bis viele Details des Rundherums abgeklärt und gestaltet waren.

Und jetzt sind wir am Ziel, Jerusalem, angekommen!

Der Wunsch ist Wirklichkeit geworden, die Vision wurde konkret. Wir haben daran mitgearbeitet, sie umzusetzen, Schritt für Schritt, Kilometer für Kilometer, Tag für Tag.

Und Gottes Segen ist über allem. – Wunderbar für mich!

Eine GROSSE Vision darf man haben, gediegene Vorbereitung braucht es zur Umsetzung. Viele konkrete und konsequente Schritte lassen die Wirklichkeit wachsen. Macht und Ohnmacht berühren sich. Vertrauen ebnet den Weg. Das Gelingen liegt in Gottes Händen.

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3x schafen

Ja, nur noch 3x schlafen, dann stehen wir wieder auf heimatlichem Boden, haben dann das heilige Land verlassen. 
Heimat sind Menschen, ist die Familie, die Arbeit – ist dort wo mein Herz Zuhause ist. 
Wie wird DIESES Ankommen sein?
Jetzt liege ich müde im Bett am See Genezareth und viele Gedanken gehen mir durch den Kopf, das Herz und den Bauch. 
Freude, Fülle, Erwarten und Erwartet werden, Ungeduld, Unsicherheit, Leere, Durcheinander – ein großes Unterfangen, dieses Ankommen Zuhause. 
Nur noch 3x schlafen und aushalten, alles was ist und sich zeigen will, sehen und wertschätzen. Verbunden mit Gott und den anderen werde ich gut ankommen, das ist eine meiner Erfahrungen.
So ist das Pilgern. So ist das Leben. 

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215. Tag: Wallfahren heisst für mich… (XXIII)

Wallfahren heisst für mich: mit leeren Händen heimkehren

In den Anweisungen für die grossen Wallfahrten im Alten Testament wird betont: „Man soll nicht mit leeren Händen hingehen, um das Angesicht des Herrn zu schauen.“ (Dtn 16,16)

Eine Frage unterwegs lautete: Mit Kreditkarte und Geld im Sack zu pilgern ist einfach und wenig Herausforderung; sich den Spendern und den Menschen unterwegs ganz auszusetzen und der Vorsehung – ohne Geld oder Kreditkarte: das sei richtiges, asketisches Wallfahren. Pilger mit dieser Einstellung haben wir unterwegs getroffen.
Es ist aber nicht mein Ideal: Ich bin bereit, für die Pilgerschaft nach Jerusalem von meinem Geld und Gehalt, von meiner Zeit zu investieren – und wenn man so will – es mitzubringen vor Gott hin, zum Kind in der Krippe, vergleichbar den Magiern aus dem Osten.
Aber der Verdacht drängt sich mir dann auf, ich hätte etwas Besonderes geleistet und erwarte mir eine Abrechnung, eine Belohnung dafür: Das ist mir gänzlich zuwider. Ich bilde mir nicht ein, etwas Besonders geleistet zu haben. Ich erwarte mir keine Belohnung, sondern ich glaube, dass Gott mich als sein Kind liebt, und so darf ich kommen wie ich bin, wie es mir jetzt geht, mit meinen Schätzen und Mängeln, mit allem, was ich gemacht und nicht gemacht habe. Er sieht und hört mich, er empfängt mich – einfach, weil er mich liebt (vgl. die Lesung von gestern: Gal 4,7).

Statt Belohnung – so meine Wahrnehmung – trifft gerade das Gegenteil zu: Ich werde mit leeren Händen heimreisen – wie die drei Könige aus dem Morgenland, die Sterndeuter aus dem Osten, die ihre Gaben dem Kind brachten und ihm übergaben. Sie kehrten ohne ihre Schätze nach Hause zurück, allerdings auf einem anderen, neuen Weg, wie es heisst (Mt 2,11-12).

Die Begegnung mit Christus hat sie arm gemacht, arm wie dieses Kind – das ist auch mein Empfinden. Mit leeren Händen, mit einem kleineren Rucksack, ohne Schutzhülle, mit offenem Herzen, mit freien Armen kehre ich heim.
Unsicher bin ich mir, ob ich dafür die Seligpreisung Jesu auf mich anwenden kann: arm und selig zu sein: Selig, die arm sind vor Gott, denn ihnen gehört das Himmelreich (Mt 5,3).

Gerne übergebe ich meine Schätze dem Kind und lasse sie los. Und ich werde nicht mehr gleich heimkehren, wie ich ausgezogen bin.

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Wir laden ein zum „Welcome back“

Wir vier Jerusalem-Pilger werden an Dreikönig aus dem Morgenland zurück in die Schweiz fliegen. Alle, die uns begleitet haben, offen oder heimlich, sporadisch oder kontinuierlich, ja alle, die Freude haben, uns bei der Rückkehr zu begrüssen und willkommen zu heissen, sind dazu eingeladen. Wir freuen uns auf ein Wiedersehen und Kennenlernen!

Wann: Freitag, 6. Januar 2012, ca. 20.00 Uhr
Wo: Hauptbahnhof Zürich, unterm Engel
Mitbringen: Ein Glas und etwas Flüssiges zum Anstossen
Vorbereitung: Andern weitersagen und sie auch einladen

Ein herzlicher Neujahrswunsch und bis bald
Christian, Esther, Hildegard, Franz

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Labyrinth für Jerusalem

Projekt von Mona Bienek: Ein Labyrinth für den Frieden in Jerusalem

Als Teilnehmerin an der interreligiösen Friendenskonferenz zum Thema „Pilgern für den Frieden“ hatte ich bei unserem abschliessenden Rundgang durch Jerusalem folgende Eingebung:
Der kleinste Ort des Pilgerns bietet uns das Labyrinth. Wir begehen darin unsern Lebensweg, der uns in Windungen zur Mitte, zum Göttlichen führt. Es ist ein uraltes Symbol, das an keine Religion gebunden ist. Darum, lasst uns in Jerusalem als Gemeinschaftsprojekt ein Labyrinth als interreligiösen Ort der Begegnung und des gemeinsamen Feierns erschaffen!
Dazu benötigen wir:
– Einen öffentlichen Platz von 50 – 100 m Durchmesser, der für alle Religionen zugängig ist.
– Ortsansässige Menschen, darunter auch Künstlerinnen und Künstler, die das Labyrinth mitgestalten und später auch lebendig halten;
– Finanzielle Unterstützung, um diese Idee zu realisieren.
Bitte gebt diese Vision weiter! (Auch das Lassalle-Haus beherbergt ein Labyrinth!)
Kontakt: monabienek@bluewin.ch; www.labyrinth-international.org

Project: A labyrinth for the peace in Jerusalem

As a participant at the Interreligious Peace Conference with the theme „Pilgrimage for Peace“, I had the following insight during our closing round through old Jerusalem:
The smallest place for pilgrimage offers us the labyrinth. By walking it, we sense our way of life that leads us in windings to the center, to the Holy. It is a very old symbol that is not bound to any religion. Therefore, let us create a labyrinth in Jerusalem as a common project and as an interreligious place to gather and to celebrate!
What we need:
– An open space of 50 – 100 m diameter, that is accessible for all religions.
– People from Jerusalem, among them artists, that like to create the labyrinth and later on to keep it alive.
– Financial support to realize this idea.
Please give on this vision! (Also the Lassalle-House hosts a Labyrinth!)
Contact: monabienek@bluewin.ch; www.labyrinth-international.org
See also: www.labyrinthos.net; www.labyrinthsociety.org

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214. Tag: Wallfahren heisst für mich… (XXII)

Wallfahren heisst für mich: feiern.

Ein Aspekt jeder Wallfahrt ist es, am Ziel zu feiern, ein Fest zu begehen, Gott zu danken für alles, was wir empfangen haben und ihn dafür loben. Schon bei den Wallfahrten Israels im Alten Testament war dies ein integraler Bestandteil jeder Wallfahrt (vgl. Dtn 16,8.11.14-15).

Unterwegs haben wir in kleinen Portionen gefeiert: Eucharistie, Danksagung für das Geschaffte, für 1000 oder 2000 km, die Ankunft am Marmarameer, auf dem Zwischenhalt in Istanbul und Amman.

Als wir hier in Jerusalem angekommen sind, haben wir als erstes Danksagung gefeiert, Eucharistie in der Grabeskirche. Immer wieder ist mir noch zum Feiern zumute, obwohl wir schon vor einer Woche hier eingetroffen sind. Es ist eine nur schwer zu beschreibende Freude, die zum Ausdruck drängt, es ist eine Ergriffenheit über die vergangenen sieben Monate, die ins tiefste Herz hinabreicht und mich bei weitem übersteigt. Es ist das Staunen über Gottes Schutz und Segen über den ganzen Weg, über unsere kleine Gruppe, über die vielen Menschen, die uns unterwegs wohlgesonnen waren, über … über … Für so vieles will ich Gott danken und vor Gott feiern und tanzen, wie es David vor der Bundeslade tat.

In der Auferstehungskirche sind wir bei einem späteren Besuch zusammengestanden und haben einfach ein Lied nach dem anderen gesungen. In Bethlehem konnten wir auch bei starkem Regen froh Weihnachten feiern, und gestern Nacht gingen wir ein letztes Mal auf den Ölberg. Mit dem Blick auf Jerusalem besangen wir diese Stadt und stiessen auf das Neue Jahr an. Und ich freue mich, auch in Zürich nach unserer Ankunft feiern zu dürfen.

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