oder doch vertrauen?

Gestern ein Novum: wir kommen erst nach 20 Uhr – es ist stockdunkel – zu unserer Unterkunft. Seit 17.50 warten wir vor dem Dorf Yeniköy auf den uns versprochenen Bus. Er kommt pünktlich. Braust an uns vorbei. Ist voll besetzt. Dann kommt keiner mehr. Wir beginnen Autostopp zu machen. Eine ganze Horde Jungs gesellt sich nach und nach zu uns. Wir fragen sie, ob sie uns nach Tavşanlı bringen könnten. Zum Hotel. Nein, das wagen sie nicht. Polis. Polis. Wir verstehen nicht genau, worum es geht. Franz und Hildegard gehen auf die gegenüberliegende Fahrbahn zu einer Gruppe Arbeiter, die einen Brunnen flicken. Für Tavşanlı seien wir auf der falschen Seite wissen sie. Wir auch. Wir hätten gern gefragt, ob sie uns ein Taxi rufen könnten. Nein. Können sie nicht. Die Sonne geht unter. Es wird schnell kühl. Esther zieht schon bald Handschuhe an. Ibrahim kommt mit seinem Motorrad. Ein schlecht und recht deutsch sprechender Türke. Ein grober Mensch mit Messer im Schaft. Er redet laut daher, prahlt mit seinem Deutsch vor den andern Dorfjungs. Er kommt beim Reden viel zu nahe und rollt mit den Augen furchterregend. Ganz wüste Schimpfwörter verpufft er in die Landschaft. Es ist unangenehm. Langsam dunkelt es ein. Christian macht Autostopp. Dann Franz. Dann Esther oder Hildegard. Niemand hält. Die meisten Wagen sind übervoll besetzt. Esther beginnt im Händi zu suchen und sie findet die Homepage von einem Hotel in Tavşanlı. Franz ruft an. Englisch: Here is Franz Mali. Yes Franz Mali. Auf der andern Seite wird zu schlecht englisch gesprochen. Wir meinen aber, dass das Hotel ein Taxi schicken würde. Rechnen aus, dass es für 15 km höchstens 20 bis 30 Minuten bräuchte. Es ist dunkel geworden. Die Jungs verziehen sich. Ibrahim bleibt. Das Taxi kommt nicht. Franz ruft wieder im Hotel an. Yes i am Franz Mali. Franz Mali. Es klappt nicht. Aber immerhin. Wir besitzen die Nummer des Taxiunternehmens. Esther und Hildegard meinen, dass wir Ibrahim das Telefon geben sollten, damit er ein Taxi bestellt. Christian ist eher dagegen. Wir beraten. Bitten Ibrahim doch, für uns das Taxi zu bestellen. Er ruft an. Zweimal. Strahlt. Das Taxi kommt. Wir schenken ihm eine Zigarette. (Wir sind jetzt mit Zigaretten ausgestattet für solche Gelegenheiten.) Hildegard sagt, dass er noch eine zweite bekäme, wenn das Taxi kommt. Es kommt kurz vor 20 Uhr. Tatsächlich. Wir sind durchfroren, etwas abgekämpft und sehr froh. Ibrahim umarmt uns. Er bekommt das ganze Paket Zigaretten.

So sahen wir aus kurz bevor das lange Warten begann...

Dieser Beitrag wurde unter unterwegs veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

3 Kommentare zu oder doch vertrauen?

  1. Marie-Therese sagt:

    Liebe Hildegard,
    Ja, das Verhalten eines Menschen kann schon manchmal verwirren und oft den wahren Wesenskern unsichtbar machen. Hier war es ein Bengel der sich als Engel entpuppte. Leider gibts auch umgekehrte Fälle, wo jemand seine Mitmenschen mit freundlichem und angenehmem Verhalten täuscht um die Opfer mit unehrlichen Absichten „über den Tisch zu ziehen“. Oft ist es schwierig, heraus zu spüren, wem man vertrauen kann. Hab auch schon beide Seiten erlebt.
    Ich wünsche Euch allen, dass Ihr auch weiterhin vielen hilfreichen Engeln begegnet und spürt, wem Ihr vertrauen könnt!
    Herzliche Grüsse, Marie-Therese

  2. Marie-Therese sagt:

    PS: Mit seinem bengelhaften Verhalten versuchte sich der Engel wohl ein schwach entwickeltes Selbstwertgefühlt mit Imponiergehabe zu kaschieren.. Er braucht vielleicht unsere Gebete, um u.a. ihm Mut zu machen, sich selbst so zu zeigen, wie er ist.

  3. LausA sagt:

    Haltestelle Meistersrüte, Halt auf Verlangen. Wir drücken, damit der Zug für uns anhält. Es gibt keine Gleisnummern, hat ja schliesslich auch nur deren zwei. Der Zug Richtung Appenzell fährt ein, auf dem Gleis nahe dem Wartehäuschen. Kurz danach auf dem hintern Gleis jener Richtung Gais. Wir warten bis der erstere abfährt um dann das Gleis zu überqueren. Der Zug Richtung Appenzell fährt ab, jener Richtung Gais auch. Wandernde, Reisende und unsere Klassenlagergruppe habe das Nachsehen. Kleines, nicht unwesentliches Detail: In einer halben Stunde kommt der nächste. Dieser nimmt uns mit, wir haben ja schliesslich keine Eile….