In der Orontesebene

Ein ruhiger Tag des Gehens auf der Landstrasse, begleitet von Anwar mit seinem Motorrad, der uns vom Geheimdienst zugeteilt wurde. Auch ein Polizist, der uns vorgestern kontrolliert hat, ist wieder erschienen und hat sich nach unserem Weg und unserer Sicherheit erkundigt. Ansonsten nichts Aussergewöhnliches. So bleibt Raum, einige Beobachtungen zu Land und Leuten zu machen: Immer wieder werden wir mit den Worten begrüsst „Willkommen im Syrien Assads“. Die Alewiten dieser Gegend geben also sofort zu erkennen, dass sie zu ihrem Präsidenten stehen. Damit ist der erste Kontakt auch schon mit einer politischen Botschaft verknüpft. In der gegenwärtigen Situation der Revolte ist dies gut zu verstehen. Wenn wir uns jedoch die Dörfer anschauen, durch die wir gehen, fällt auf, wie ärmlich sie sind und wie primitiv die Infrastruktur ist. Vor allem das Ankommen in Masyaf heute, einer kleinen Provinzstadt, war depremierend, denn mehr als die Hälfte der Häuser sind graue Bauruinen, der Abfall liegt überall in den Strassen und Beleuchtung, Elektrisch, Läden etc. sind veraltet und reperaturbedürftig. Gerade hat auch hier im Wadi Ayoun, wohin wir zum Übernachten fahren mussten, ein Stromausfall eingesetzt.

Mit der Gaslampe das Dunkel überwinden

Wir sitzen im Dunkeln. Syrien scheint mehr abgewirtschaftet als jedes andere Land, durch das wir gepilgert sind. Selbst Serbien und Bulgarien mit ihren maroden Bauten waren mit einer besseren Infrastruktur bestückt. Ein Grossteil der Männer trägt in dieser Gegend auch keine zivile Kleidung sondern Militärhosen und Militärjacken. Uns wurde erklärt, dass jeder Soldat nach seinem zweijährigen Armeedienst die Kleidung behalten darf und danach oft die Militärkluft trage. Doch auch viele ältere Herren tragen Armeejacken. Es scheint hier zur Männlichkeit zu gehören und vielleicht auch zur Staatsideologie, dass das Kriegerische auf diese Weise sichtbar bleibt. Die Kleidung betreffend, ist auch bemerkenswert, dass die vielen Motorrad- oder Traktorfahrer stets ein Kopftuch tragen, das sie in diesen frischen Spätherbsttagen ganz um das Gesicht binden. So schützen sie sich vor Kälte, sind zugleich aber auch vermummt, dass nur die Augen sichtbar sind. Nicht die Burka der Frau fällt hier auf – die Alewitinnen hier tragen ihr Haar lang und offen, meist ohne Kopftuch – , sondern die Vermummung der Männer.

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