Es gibt verschiedene Mittel, sich gegen Vorurteile zu wehren. Eines besteht darin, sie in witzig-komischer Weise auf die Spitze zu treiben, so dass sie ihre ganze Absurdität offenbaren. Der Komiker Semih Yavsaner aus Bern, aus einer türkischen Gastarbeiterfamilie stammend, hat diesen Weg gewählt und ist als „Müslüm“ bekannt geworden. Die Vorurteile gegüber Türken bringt er satirisch an Herr und Frau Schweizer und ist mir gerade mit seinen „Telefonscherzen“ unvergesslich. In diesen Pilgertagen in der Türkei habe ich hin und wieder einen „Müslüm“ aus dem Internet angehört.
Eine andere Art und Weise, Vorurteile gegenüber Fremden zu überwinden, ist das Pilgern durch ihre Heimatländer. Rückblickend auf die zwei Monate des Pilgerns in der Türkei, ist mein Urteil über Türken doch ganz anders als der Blick aus der Ferne. Nicht eine begrenzte, sozial oft entwurzelte Gastarbeiterschicht sind die Türken hier, sondern stolze Gastgeber und ein aufstrebendes Land mit den unterschiedlichsten Menschen, religiös und säkular, ganz einfach oder hoch gebildet, städtisch oder ländlich geprägt. Die Bevölkerung ist alles andere als homogen. In einigen Bereichen technisch bestens entwickelt, ist der materielle Standart im Allgemeinen doch viel niedriger als in der Schweiz. Beachtet man aber auch kulturellen Reichtum, wie die funktionierende Gastfreundschaft, die mündlichen Kommunikationsstrukturen, das unkomplizierte öffentliche Verkehrsnetz etc., dann hoffe ich, dass er nicht verloren geht, wie bei uns. Vieles ist auch einfach anders, wie die Rollen von Frau und Mann, die Organisation von öffentlichem und privatem Raum… Wer möchte da leichsinnig vergleichen und verurteilen?! Türkische Identität erscheint mir in einem schnellen Wandel, was bei einer so jungen Republik herausfordernder ist als wie im Schweizerischen Bundesstaat, der doch etwas älter ist. Türkeiexperte ist ein Pilger noch lange nicht, doch er trägt in sich wertvolle Erfahrungen und Begegnungen von Angesicht zu Angesicht. Für mein eigenes Land hoffe ich, dass wir, ohne Angst auf Ausländer projizierend, unsere Entwicklung und unseren Wandel bewältigen können.
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Meta
Liebe Pilgerinnen und Pilger
Als Wegzehrung und Labsal, leicht im Gepäck und leicht zu tragen ein (N.B. türkisches) Gedicht gebe ich Euch mit auf Euren weiteren Weg,
mit meinen herzlichsten Grüssen – Jörg
von AHMET HAMDI TANPINAR
Weder bin ich in der Zeit
Noch gänzlich außer ihr,
In der unteilbaren Strömung
Des einen, ewigen Augenblicks.
Den Farben eines fremdartigen Traumes
Scheinen die Formen zu entsprechen,
Eine Feder, wiegend in dem Winde
Ist nicht leichter als ich.
Mein Kopf, die Stille mahlende
Unendliche Mühle.
Mein Inneres, der erleuchtete,
Mittel- und stellenlose Derwisch.
Ich spüre wie die Wurzeln der Welt
In mir sich umschlingen,
Ich schwimme inmitten
Eines blauen, tiefblauen Lichtes.
Lieber Jürg
Deine Zeilen von Tanpınar sprechen mir aus dem Herzen. Das Pilgern über so viele Wochen hinweg verdichtet vieles, lässt ganz in der Zeit sein und zugleich sie immer wieder transzendieren.
Verbunden,
Christian
Lieber Christian
Ja, seit dem Wahlsonntag habe ich wieder mehr Hoffnung, dass die Schweiz
sich öffnen kann und in Gemeinschaft mit Menschen aus verschiedenen
Kulturen in die Zukunft geht. Hoffnung und Freude habe ich auch am letzten
Wochenende in Bad Schönbrunn erfahren. „Wiedergeburt und Auferstehung“
und die Begegnung mit P.Saju George SJ wurden ein tiefes Erlebnis. Berührend
der betende, klassische, indische Tanz von P. Saju George in der Eucharistie
verbunden mit europäischer Musik. Ich habe mich früher sehr interessiert für den indischen Tanz, doch ich wusste wenig vom Hinduismus. Die Referate zu
„Wiedergeburt und Auferstehung“ hinduistisch, christlich und vom Yoga her gesehen, wurden so zum Geschenk. Vielen herzlichen Dank. Mit innerer Freude fuhr ich nach Haus in die besinnlichen Tage von Allerheiligen und Allerseelen. Ich stand am Grab meiner Eltern an einem wuderbaren sonnigen Tag, mit warmen herbstlichen Farben, tiefblauem Himmel und im Herzen Auferstehung und Tanz.
An Allerheiligen haben wir ein Lied gesungen von dem ich eine Strophe Dir und
Hidegard, Esther und Franz für das weitere Gehen mitgeben möchte, sei es durch Syrien, oder auch nicht. „Sing,bet und geh auf Gottes Wegen, / verricht das Deine nur getreu / und trau des Himmels reichem Segen, / so wird er dir werden neu. / Denn welcher seine Zuversicht / auf Gott setzt, den verlässt er nicht.“ Charlotte