7 Monate in 29 Minuten

Vor über drei Wochen sah ich einen Rohschnitt vom Film zu unserem Pilgerprojekt und hörte seither nur Fetzen aus der Diskussion zwischen Regisseur Christof Wolf und Veranwortlicher des Schweizer Fernsehen Christa Miranda. Mit Spannung sass ich heute morgen vor dem Fernsehen. An einem Sonntag morgen ist dies sonst kaum je möglich. Wir hatten den Bildschirm in die Cafeteria des Lassalle-Hauses gestellt, so dass sich davor eine ganze Gruppe versammelte. Dann begann sich die Geschichte des Pilgerns vor meinen Augen zu entwickeln. Verschiedene Bilder lösten Gefühle aus, doch zum Teil nicht in die Richtung wie der Erzählfluss ging, sondern solche, wie ich sie zum Zeitpunkt des Geschehens hatte. So konnte ich einerseits gut dem Erzählbogen folgen und freute mich, im Anschluss an den Film auch zu hören, wie gut die Andern mitgehen konnten und ergriffen wurden. Der Film löste ein tolles Gespräch aus. Andrerseits war ich auch verwirrt, weil die erlebte Geschichte von sieben Monaten nicht die erzählte Geschichte von 29 Minuten ist. Eine Binsenwahrheit, die beim Erleben doch wieder nah geht. Natürlich sagt das nichts über die Qualität des Films aus – ich bin Christof Wolf zu grosser Dankbarkeit verpflichtet – , doch es zeigt, wie das Erlebte und das Dargestellte zwei unterschiedliche Dinge sind. Über den Film unser Pilgern weiterzuerzählen und Andere in den Pilgergeist hineinzunehmen, ist mir auf jeden Fall eine grosse Freude. Im April soll die DVD mit diesem Film, einer Langversion, mit der Strecke etc. im Lassalle-Haus erhältlich sein. An alle Beteiligten ein Dankeschön von Herzen!

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im Fernsehen gesehen

Wir sind wirklich angekommen in Jerusalem, ich habe es heute in Sternstunde Religion gesehen. Es ist wahr, ich war dabei. Unglaublich – immer wieder – unglaublich! Ich bin begeistert, berührt, dankbar!

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Das Gewebe der Herzensfäden

Gestern Abend in Zürich. Heute in den Mails. Bei einem Telefonanruf.

Immer wieder Begegnungen mit Menschen, die ich wenig oder gar nicht kenne. Sie folgen unseren Pilgerspuren. Sie tauchen auf ihre Weise auf und bringen zum Ausdruck, dass Herzensfäden gewachsen sind. Ohne uns zu kennen. Die Art und Weise, wie sie sich ausdrücken, in die Augen schauen, die Hand halten. Herzensverwandtschaft und Freundschaft können in einem einzigen Augenblick entstehen. Das Gewebe dieser Herzensfäden ist gross.

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Der Pilger ist zurück – ein Interview

Die Pilger sind zurück, der Weg nach Jerusalem ist gemacht.
Jeder und jede fädelt sich ein in je seinen, ihren eigenen Alltag.
Esther Rüthemann hat darauf im Interview mit der Zürichseezeitung geantwortet.
Im heutigen Newsletter des Lassalle-Hauses geben wir einen Einblick in den Arbeitsalltag von Christian Rutishauser SJ, der dort wieder als Bildungsleiter wirkt. Weiterlesen

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Zurück in der „Hochkultur“

Vor dem Pilgern ging ich zur Oper „Moses und Aaron“ von Arnold Schönberg; sie wurde für mich zu einem Sinnbild des Gehens, zum Exodus. Während des Pilgerns vermisste ich das Musiktheater und sehnte mich danach, mein Ohr und Aug über Musik und Theater in die Tiefe führen zu lassen. Nach dem Pilgern setzte ich mich gestern nun Richard Wagner und seinen „Die Meistersinger von Nürnberg“ aus. In der fünften Musikstunde war ich so mitgerissen, dass ich den Sessel nicht mehr spürte. Wie Musik mich anrühren kann!

Doch mit „Moses und Aaron“ konnte ich vollumfänglich auf die Suche nach Gott, dem ganz Andern, dem ganz Geistigen, gehen. Ich spürte die Klippen des Weges jenseits alles sinnlichen Selbstbezugs, wie ihn die Oper zeigt. Als jedoch bei Wagner dem Meistersinger Hans Sachs Heil gesungen wurde und die deutschen Meister mit Pathos gepriesen wurden, wurde mir schon zwiespältig. Die nationalsozialistische Rezeption von Wagner hat ihn vollens gegen Schönberg gestellt. Ich war hin und her gerissen. Und wenn Wagner glaubt, mit seiner Kunst könne er eine Form so rein schaffen, dass sie die Religion zu erben vermag, dann kann ich nicht mit. Die Meistersänger faszinieren mich wie die Pyramiden, doch ich wusste beim Verlassen der Oper gestern auch, dass ich zu Hause zurück in Ägypten bin.

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Denkkurve

Ich koche noch schnell eine Suppe.
Diese Mail beantworte ich noch schnell.
Lass mich mal schnell im Fahrplan nachschauen.
Ich nehme schnell den Bus.

etc. etc.

Ich koche eine Suppe.
Diese Mail beantworte ich noch.
Lass mich im Fahrplan nachschauen.
Ich nehme den Bus.

etc. etc.

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Zuhause unterwegs

Gestern durfte ich das erste Mal seit langem wieder Predigen, welche eine Vorbereitung, welch eine Nervosität und welch eine Freude! Ich nahm die beiden Männer, Jiob und Jesus mit ihren je unterschiedlichen Lebensentwürfen und Handlungsmöglichkeiten in die Mitte meiner Ausführungen und verband sie mit unserem Pilgern. Auch ich fühlte mich unterwegs angesichts mancher Begegnungen ohnmächtig und gebunden wie Jiob und nicht helfen könnend wie Jesus. Wir taten es mit Jesus gleich, wir beteten, nicht an einem stillen Ort, sondern den Strassen entlang, nicht alleine, sondern hinter einander her. Ich zeigte im Gottesdienst das verwaschene, gesalbte Pilgerband, das wir in allen Länder auf den Boden legten, für die Anliegen darin gebetet haben und es schlussendlich nach Jerusalem, wie versprochen, zur Krippe, zum Kreuz, ans Grab und zur Auferstehung getragen haben.

Jetzt geht ein neues Pilgerband, das Weltpilgerband mit, bereit gefüllt zu werden. Ich werde es wohl nicht mehr ins Heilige Land tragen, aber ich werde es mit mir durch den ganz normalen Alltag tragen, es in meinen Gebeten und mit den Menschen hier, vor Gott bringen, mit all dem was die Menschen mir mitgeben. Mögen die Bitten und Anliegen bei Gott Gehör finden. So ähnlich beendete ich meine gestrige Predigt, lud die Gotedienstbesucher ein in Stille, während ich das Weltpilgerband in den Händen hielt, all das was in ihren Herzen lebt, hineinzulegen und betete in die Stille hinein mit den Worten des Bruder Klaus. Was für wunderbare Möglichkeiten sich mit dem Pilgerband bieten.

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Wie Erlebtes zur Erfahrung wird

In den letzten drei, vier Wochen habe ich verschiedentlich von unserem Pilgern Freunden, Bekannten, Kollegen und Mitarbeitenden erzählt. Durch das interessierte Zuhören und durch das Nachfragen sind mir immer wieder neue Aspekte klar geworden. Auch habe ich eine Sprache gefunden, die mein Pilgeranliegen und meine Erfahrung nochmals auf dem Punkt und in eine klare Form bringt. Darüber freue ich mich sehr. Im Resonanzraum des gemeinsamen Gesprächs kann sich Erfahrenes bei mir nochmals tiefer setzen. Nur wenn Andere sich für mich und meine Geschichte interessieren, erinnere ich mich wirklich. Dass Erfahrung nicht nur etwas erleben bedeutet, sondern Zeit braucht, damit sie mir wird, erlebe ich gerade tagtäglich. Daher darf das Erlebte auch nicht einfach zugedeckt werden mit neuen Aktivitäten. Ich nehme mir daher bewusst Zeit, das Pilgern nochmals mit Andern zusammen wiederzukäuen, zu verkosten und zu verdauen. Dabei verändern sich der Blick und das Gefühl für das Erlebte, bis sich die Erfahrung in einer ganz bestimmt Weise festsetzt und zum Schatz der eigenen Lebensgeschichte wird.

 

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sich erinnert

Wie aufmerksam! Eine ältere Dame aus der Pfarrei hat sich daran erinnernt, was ich wohl auf der Pilgerschaft vermissen werde, wovon ich sicher eine Reserve mittrage, wobei ich mich nicht gerne umgewöhnen wollte – meine Zahnpaste. Okay ich gebe es zu, da bin ich wirklich ein bisschen heikel, aber konstant. Sie ist noch immer meine Favoritenzahnpaste. Deshalb vielen Dank Paula (Name von der Redaktion geändert) für diese schöne Überraschung, die mit Zuwendung gekauft wurde, mit Aufwand geschrieben und mir Freude beim Öffnen des Briefkastens bescherte.

eine kleine Statistik: zwei Tuben bis Istanbul gebraucht (selber mitgetragen, nicht gespart), eine weitere Tube, von Christoph nach Istanbul gebracht, für den Rest der Zeit (wiklich gespart, von Hildi gelernt)

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still und allein

Nach dem Abenteuer zu viert bin ich wieder in meine bekannte Lebensform heimgekehrt. Das Alleinsein prägt sie. Ich bin allein-stehend. Für die Pilgerschaft hatte ich mich auf etwas ganz anderes eingelassen. Auf eine Art Vierer-Seilschaft. Kein Alleinsein, ausser in den eigenen Gedanken. Kein Raum für Rückzug, ausser im Schlaf und unterwegs ins Innere der Seele. Keine Stille, nur dann, wenn unsere Wege abseitig waren und wir selber auch schwiegen. Oft aber war der ganze Tag laut. Ich staunte unterwegs und freute mich, dass ich fähig war, mich in diesem ganz anderen zu bewegen und gut zu leben. Jetzt in den neuen Räumen meines Daheims wirken das Alleinsein und die Stille doppelt leuchtend. Ich kann in meiner Stube auf dem bequemen Stuhl sitzen, auf die Stille des Hauses horchen und ganz fasziniert in den Raum und zu den Fenstern hinaus schauen. Nur das. Eine ganze Weile. Nur das. Einzelne Momente der Pilgerschaft tauchen dabei auf und ich beobachte, wie dieser Nachklang erst das Eigentliche herauszuschälen beginnt. Sie ist überhaupt nicht vorbei meine Pilgerschaft.

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