Zurück in der „Hochkultur“

Vor dem Pilgern ging ich zur Oper „Moses und Aaron“ von Arnold Schönberg; sie wurde für mich zu einem Sinnbild des Gehens, zum Exodus. Während des Pilgerns vermisste ich das Musiktheater und sehnte mich danach, mein Ohr und Aug über Musik und Theater in die Tiefe führen zu lassen. Nach dem Pilgern setzte ich mich gestern nun Richard Wagner und seinen „Die Meistersinger von Nürnberg“ aus. In der fünften Musikstunde war ich so mitgerissen, dass ich den Sessel nicht mehr spürte. Wie Musik mich anrühren kann!

Doch mit „Moses und Aaron“ konnte ich vollumfänglich auf die Suche nach Gott, dem ganz Andern, dem ganz Geistigen, gehen. Ich spürte die Klippen des Weges jenseits alles sinnlichen Selbstbezugs, wie ihn die Oper zeigt. Als jedoch bei Wagner dem Meistersinger Hans Sachs Heil gesungen wurde und die deutschen Meister mit Pathos gepriesen wurden, wurde mir schon zwiespältig. Die nationalsozialistische Rezeption von Wagner hat ihn vollens gegen Schönberg gestellt. Ich war hin und her gerissen. Und wenn Wagner glaubt, mit seiner Kunst könne er eine Form so rein schaffen, dass sie die Religion zu erben vermag, dann kann ich nicht mit. Die Meistersänger faszinieren mich wie die Pyramiden, doch ich wusste beim Verlassen der Oper gestern auch, dass ich zu Hause zurück in Ägypten bin.

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3 Kommentare zu Zurück in der „Hochkultur“

  1. Rahel + Flurina + Dominik sagt:

    Lieber Pilger,
    Dein Hin- und Hergerissensein von der Musik: Augustinus, Konfessiones, 10. Buch, 33,49-34,50. Es ist toll!
    Der Abschnitt endet: „Unter dem Blick Deiner Augen bin ich mir zur Frage geworden…“.
    Grossartig, was unsere Brüder und Schwestern im Geist schon alles geschrieben haben, nicht wahr? In Ägpten, im Exil, waren sie produktiv….
    Rahel

  2. Monique sagt:

    Lieber Christian
    Wie sehr teile ich Dein „Angerührt-sein“ von der Musik… Mit geht es ähnlich.
    Gewisse Musik ist die universelle Sprache, welche die Kraft besitzt, mein Herz und meine Seele stark zu berühren.
    Z.Zeit erfahre ich „Jesus meine Freude“ von J.S. Bach als den wortlosen Klang, der mich mit einer wortlos gewordenen Freundin verbindet. Ein Hirntumor hat ihr Sprachzentrum angegriffen.
    Da sie nicht in der Nähe wohnt, telefoniere ich oft mit ihr (manchmal mit Hilfe der Pflegefachfrau). Wenn ich sie frage, ob sie „Jesus meine Freude“ hören will, verstehe ich ihr mühsam ausgesprochenes „Ja“. Durch den Telefonhörer verbindet uns der göttliche Klang und der starke Glaube, dass nach dem langsamen Zerfall des Körpers eine neue, wunderbare Seinsweise bei Gott uns erwartet…
    Verbunden auch mit Dir, Christian, in der Musik.
    Monique

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