Ein Kontrast

Noch im Dunkeln verlassen wir Pazardzhik und gelangen bei Morgendämmerung in die weite und offene Ebene. Die Sonne als blutroter Ball ist noch nicht aus ihr empor gestiegen, als uns bereits erste Pferdewagen entgegen kommen. Die Einen fahren mit Gemüse in die Stadt, die Andern sind sonst schon unterwegs und künden an, dass wir in eine landwirtschaftliche Gegend kommen, wo Romas zu Hause sind. Ein Pferdewagen hält an und will uns aufsteigen lassen, was wir dankend ablehnen. Wir fotografieren jedoch den Bauer, der mit Pferd und Handpflug seinen Acker bestellt.
Wir begegnen am Fluss Maritsa Hirten, und es ergibt sich fast ein idyllisches Bild. Hinter dem Flussdamm jedoch, der an einer Stelle eine Abfallhalde bildet und wo es zum Himmel stinkt, kommen wir in ein Roma-Dorf. Vor schäbigen Häusern und Hütten sitzen Frauen und spielen Kinder, die uns Pilger mit Rucksack und Stöcken verwundert anstarren. Kontainer stehen in den Höfen, die die Regierung wohl hier einmal aufstellen liess; darin wird gehaust. Männer sitzen da und diskutieren oder arbeiten an Maschinen, die herum stehen. Es ist arm und schmutzig, doch die Menschen scheinen zufrieden…. Ein Kontrast zu unserem Leben zu Hause in einer ausdifferenzierten, spätmodernen Gesellschaft. Ein Kontrast zu uns Pilger, die wir uns strategisch organisieren müssen, um Tag für Tag weiter zu kommen. Ein Kontrast auch zum Leben in Pazardzhik, wo in einem EU-gestützten Projekt die Innenstadt saniert wird und die Frauen auffallend herausgeputzt durch die Fussgängerzonen flanieren.

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4 Kommentare zu Ein Kontrast

  1. Sr. M.Christa Ineichen sagt:

    „Im Märzen der Bauer die Rösslein anspannt …“
    Lied-Kommentar zu obigem Bild — Nostalgie für die Schweizer…
    Schönes Bild, danke!
    Wir Nonnen sind auch froh, dass es Hilgdegard wieder besser geht, Gott sei Dank! Herzliche Grüsse ans ganze „Pilgerquartett“, Sr.M.Christa

    • Christian Rutishauser sagt:

      Liebe Sr. Christa, ja die Zeiten sind noch nicht lange her, als auch bei uns die Kontraste größer waren. Hoffen wir, dass sie relativ klein bleiben. Mit herzlichem Gruss, Christian

  2. Monique sagt:

    Lieber Christian, Esther, Franz und Hildegard
    So viele Kontraste erlebt Ihr beim Pilgern: Kontraste bei Menschen, Länder, Landschaften…
    So viele Kontraste erfuhren wir in Ladakh: bei Menschen: in der kleinen „Hauptstadt“ Leh befinden sich viele kleine Läden, eins neben dem andern: die Männer Ladakhi, Kaschmiri und Tibeter sitzen vor dem Laden und winken uns, um ihre Ware zu besichtigen: vor allem Pashmina und Seidenschale, die spezifisch für Ladakh/Kaschmir sind.
    Auf den „Pisten“ oder holprigen „Strassen“ trafen wir immer wieder Frauen, manchmal mit einem Kleinkind auf dem Rücken, die unter der grellen Sonne härteste Strassenarbeit vollbringen…
    Kontraste bei Landschaften: unendliche Steinwüsten in rot, grün und braun, Farben der verschiedenen Mineralien. Hie und da ein grüner Streifen Leben, wo Wasser fliesst…
    Und der Flug über dem Himalaya war einfach grandios!!!
    Diejenigen unserer Gruppe, die das erste Mal in Ladakh waren, sagten: „Es ist eine andere Welt…“ Ja, es ist eine andere Welt und ich brauchte Zeit, viel Zeit um wieder hier anzukommen…
    Nun habe ich auch den Blog nachgelesen Tag für Tag: Danke für eure Erfahrungen, Gedanken, Gefühle und Wegetappen. Hildegard, wie gut verstehe ich, dass Du Mühe hast mit der Hitze: in Ladakh litt ich auch darunter, ebenfalls wegen der Höhe und musste sogar ins Spital! Ich verrate Euch hier nicht, wie gross der Kontrast ist zwischen einem Spital in Ladakh und einem Spital in der Schweiz!!!
    Nun seid Ihr wieder ein grosses Stück weitergekommen. Ich gratuliere Euch herzlich! Ich wünsche Euch für jeden Tag freundliche Begegnungen, eine gute Kondition und immer wieder Schattenwege!
    Sonnige Grüsse
    Monique

    • Christian Rutishauser sagt:

      Liebe Monique
      Ich bin froh zu lesen, dass Ihr gut aus Ladakh zurück gekommen seid. Dass Ihr da in noch einer anderen Welt wart, glaube ich gerne. Ich hoffe immer, dass diese Erfahrungen uns ein weites Herz auch im kleinen Alltag zu Hause schenken. Mit Grüssen an alle, die mit Dir gereist sind und in herzlicher Verbundenheit, Christian