Im Kloster Mar Jakub

Ob es Zufall oder Fügung ist, weiss ich nicht, doch wir kommen am Abend im Kloster Mar Jakub an, um nach Übernachtung zu fragen, und treffen im Eingang die Äbtissin und einige Schwestern, die mit einem Journalistenteam gerade nach Damaskus aufbrechen. Die Begrüssung ist in wenigen Sätzen schon überschwänglich und mir wird von einer Journalisten gleich das Mikrophon hingehalten: Ich solle sagen, ob wir als Pilger im Land Schwierigkeiten gehabt hätten. Zugleich ist auch die Kamera schon auf uns gerichtet. Der gefährlichen Situation bin ich mir sofort bewusst, denn am Vortag hatten wir bereits erfahren, dass die Tour dieser belgischen Journalisten mit Hilfe des Staates organisiert wurde, um dem „Medienkrieg des Westens“, wie das Regime es nennt, zu begegnen. Das unter Druck geratene Regime Assads will zeigen, dass es Ausländer in Syrien gut geht und Christen das Regime stützen. So stellte ich uns Pilger vor laufender Kamera kurz vor und sagte, dass wir bisher ohne grösseren Probleme jedoch mit Staatsüberwachung gegangen sind. Diese Aussage konnte ich äusseren, obwohl mir klar war, dass sie wohl in die Staatsideologie eingesetzt wird, die Aufständischen seien vom Ausland angestachelte Terroristen zum Sturz Assads. Mir ist bei der euphorischen Stimmung im Klostereingang nicht wohl, doch ich stelle mich hin zur Gruppenfoto von uns Pilgern mit Konvent und Journalisten. Uns Pilger ist diese Szene sicher eher Schutz beim Weitergehen, doch ich fühle mich schlecht, denn ich habe zu wenig für den gerechten Aufstand gegen den Polizeistaat getan.
Beim Gespräch nach Zimmerbezug mit dem geistlichen Begleiter des Klosters, einem lebendigen, 73-jährigen Karmeliten, wird mir noch unwohler. Er vertritt in einer platten Weise die Staatsideologie, dass das syrische Volk geeint hinter dem Präsidenten sei und nur durch Terroristengruppen bedrängt werde. Er erzählt etwas phantasievoll von bewaffneten Gruppen, von denen man nicht wisse, woher sie kommen, die aber Menschen umbrächten und zerstückelten. Nach ihm hat es seit Ausbruch des Aufstandes nicht 3500 Tote gegeben, wie kritische Quellen sagen, sondern weniger als 1000 und davon über die Hälfte auf der Seite der Armee. Beim Zuhören wurde mir bange. Hier treffe ich Christen an, die nicht zum Assadregime stehen, weil sie rationale Gründe haben – das wäre für mich eine legitime Position – , sondern die wirklich einer Verblendung erliegen. Dieses starke Wort benutze ich, weil mein Gegenüber nicht nur Syrien mit Lybien verglich, sondern auch eindeutig für Gaddhafi Stellung nahm. Gaddhafi hätte aus einem der ärmsten Länder das 21. reichste Land der Welt gemacht, nun aber herrsche das Chaos. Nach dem Kloster Mar Musa sind wir in dieser Nacht also im Kloster mit diametral entgegengesetzter politischer Position zu Gast. Als Pilger laufen wir zwischen den Fronten der syrischen Christen.

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