185. Tag (6. in Amman): Wallfahren heisst für mich… (I)

Heute gibt es keine Strecke.

Ich möchte mit einer Reihe beginnen, in der ich Gedanken zusammentrage, was diese Wallfahrt bisher für mich bedeutet.

Wallfahren bedeutet für mich, auf einen geheiligten Ort zugehen. Dieses Ziel vor Augen zu haben heisst manchmal auch schmerzvolle Askese, Enthaltsamkeit von Nebenwegen und Nebenschauplätzen, die auch interessant, ja, verlockend sind, bei Einladungen klug zu bleiben:

Erloschene Vulkane bei Karapınar

Im westtürkischen Hochland bei Karapınar gibt es eindrückliche erloschene Vulkane, die aus der Ebene ragen. Einige davon haben einen See in ihrem alten Kraterbecken, ein Vulkan ist umgeben von einem See: Meke Gölü (vgl. 17.10.2011). Dieser Vulkan lag nicht weit neben unserer Strecke, ich hatte grosse Lust, ihn mit seinem See herum anzuschauen. Es wäre kaum ein Umweg gewesen, es gab allerdings einzig einen Zufahrtsweg von der einen Seite, keinen offiziellen Ausfahrtsweg auf der anderen, obwohl es beinahe flach ist. Ich habe in Google-Earth geschaut und gesucht, aber keinen verlässlichen Weg gefunden. Dennoch war in mir der Wunsch sehr gross, es doch zu probieren. Gleichzeitig war rechnerisch klar, dass an diesem Tag die Strecke schon sehr lang werden würde und weder ein Umweg noch strapaziöse Zusatzkilometer erlaubt sind, wenn wir die Distanz schaffen wollen. So habe ich mich ergeben, auf das Wesentliche konzentriert und auf den Hauptweg beschränkt.
Oder wie oft sind wir am Strassenrand zu einem Çay eingeladen worden. Manchmal war es mir: Einmal mehr absitzen und versuchen, ein paar Worte mit diesen Menschen auszutauschen, liegt schon noch drin. Doch wir hatten an diesem Tag schon unsere Pausen. Oder wir hatten unser Picknick gekauft und wollten es nicht bis zum Abend herumtragen.

Wallfahren ist manchmal eine schmerzliche Enthaltsamkeitsübung; eine Übung, um des Zieles willen auf Ausflüge unterwegs zu verzichten, damit man auf Kurs bleibt.
PS.: Heute heisst es so treffend in der Tageslesung: „Deine Ohren werden es hören, wenn dein Lehrer (Gott) dir nachruft: Hier ist der Weg, auf ihm müsst ihr gehen, auch wenn ihr selbst rechts oder links gehen wolltet.“ (Jes 30,21)

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5 Kommentare zu 185. Tag (6. in Amman): Wallfahren heisst für mich… (I)

  1. Barbara Jäger sagt:

    Lieber Franz
    Schön, einen persönlichen Kommentar von dir zu lesen. Die Erfahrungen, die du mit Enthalsamkeit machst kenne ich gut. Familienleben ist auch genau das: Das Ziel vor Augen haben, vor- und nachgeben, nicht alle Wünsche erfüllt zu wissen! Und das ist gut so. Liebe Grüsse Barbara

    • Franz Mali sagt:

      Liebe Barbara
      ja, das glaube ich dir gerne, dass du eine ähnliche Erfahrung gemacht hast – auch zu Hause.
      Übrigens: Alles Gute zu deinem heutigen Namenstag!!! Nachtrag von Hildi: Franz hat für dich heute gebetet.
      Ganz herzlichen Gruss
      Franz

  2. Anna Maria Weishaupt sagt:

    Lieber Franz Mali! Ich habe durch Ihre Gedanken bzw. Zusammenfassung der Wallfahrt eine glaubwürdige Antwort auf das Jesaja-Wort (30,21) bekommen, das mich schon lange „verfolgt“. – Ja, „auf Kurs bleiben“ – das ist es! Danke!

    • Franz Mali sagt:

      Liebe Anna Maria,
      Ich freue mich, dass diese Worte bei dir so gut ankommen.
      Herzlich
      Franz

  3. Beat Näf sagt:

    Zum Weg – ein Gedanke aus den Diskussionen zwischen Symmachus, einem Vertreter der alten polytheistischen Riten, und Ambrosius, dem Bischof von Mailand, und zwar aus Ambrosius, epistula 18 (53), 8, der Symmachus entgegnet: “ ‚Man kann nicht auf einem Weg,‘ sagt Symmachus, ‚zu einem so erhabenen Geheimnis finden.‘ Wir Christen haben das, was ihr nicht wisst, aus dem Munde Gottes erfahren …“

    Gibt es einen Weg für Menschen, oder viele? Symmachus und Ambrosius haben unterschiedliche Antworten gegeben. Gibt Joh 14, 6 allein einem der beiden recht? Jesus sagt dort: Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben.