Nachmittagsgebet

Heute Nachmittag besuchten wir die grosse Moschee von Kütahya. Wunderbar öffnen sich beim Eintreten nach der Vorhalle die lichten Kuppeln mit Ornamentik und Kalligraphie an den Wänden. Im Raum selbst ein Brunnen der plätschert. Wie ich in diesem Raum, der Ruhe ausstrahlt nach vorne zur Gebetsnische schreite, sehe ich, wie sie in eine Absis eingelassen ist, nicht ganz symetrisch. Da fällt der Groschen und ich verstehe, dass die Moschee einst eine Kirche gewesen sein muss. Eingänge, Empore, Nartex, das angehängte Minaret etc. erhärten meine These. Doch wie wir noch dastehen und herumschauen, strömen immer mehr Männer herein.Wir sehen auf der Uhrtafel, dass gleich das Nachmittagsgebet beginnen wird und wir entschliessen uns zu bleiben. Esther und Hildegard werden von einem Mann, der hereinkommt auf die Empore gebeten. Und so folgen wir dem ganzen Gebet, das auf den Ruf des Muezzin folgt, zuerst mehr individuell, dann die Niederwerfung in Reih und Glied und schliesslich das Vorsingen von Koranversen. So dasitzend und beobachtend, nehme ich die Schlichtheit und Kraft des Ritus wahr. Ich bin dankbar und staune, wie hier die Männer das Gebet und die Liturgie tragen. Wo sind die Männer in der Kirche geblieben!?

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9 Kommentare zu Nachmittagsgebet

  1. Thomas sagt:

    Männer: Die haben in der Kirche meist die Macht.
    Und wo sind bei den Muslimen die Frauen in der Moschee?

    • Christian Rutishauser sagt:

      Und wo sind die betenden Männer in der Kirche?!

      • ulrike sagt:

        Ja, das ist wirklich beeindruckend, wie sie Seite an Seite, ohne eine Lücke zu lassen, (so war das in dem Gebet, das ich mal miterleben konnte) – konsequent, treu, ausdauernd und mit dem ganzen Körper beten! – Es ist „fein und lieblich“ und segensreich, wenn Männer gemeinsam und einträchtig beten. Das wünsche ich mir wirklich auch für unsere christlichen Kirchen.

        • Christian Rutishauser sagt:

          Liebe Ulrike
          ja, gemeinsame Ausrichtung und gemeinsames Gebet, sei es unter Männern (bei uns sehr rar), sei es unter Frauen (bei uns rar) oder sei es von Männern und Frauen (bei uns gut möglich, aber wenig genutzt) gibt wirklich Kraft. „Hinneh ma tov umanaim shevet achim gamjachad“ (Ps 133)
          Mit einem herzlichen Gruss
          Christian

      • Rita sagt:

        Männer in der Kirche resp. Frauen in der Moschee sind – so finde ich – zwei Themen, die sich nicht vergleichen lassen.

        Den Männern bei uns wird das Beten in der Kirche nicht von den Frauen verboten. Die muslimischen Frauen dürfen aber nicht so und nicht dann beten, wie und wann sie gerne beten würden. Auch deshalb hat Pater Patrice in Ankara uns so sehr ans Herz gelegt, für die muslimischen Frauen zu beten. Es darf doch nicht sein, dass die Männer bestimmen, dass die Frauen nicht beten müssen und nicht mit ihnen beten sollen.

        Das Thema ist mir einfach „unter die Haut“ gegangen und beim Zuhören dessen, was Pater Patrice vor einer Woche in Ankara erzählte, ist mir vor Entsetzen fast das Blut in den Adern erstarrt.

        So bitte ich darum, dass ihr vier Pilger auf eurer Wallfahrt auch für die muslimischen Frauen betet, sie haben es dringend nötig.

        In herzlicher Verbundenheit

        Rita

        • Christian Rutishauser sagt:

          Liebe Rita
          Die Genderfrage und Genderproblematik ist wirklich in der Moschee und in der Kirche etwas anderes. gemeinsam ist, dass an beiden Ort neu um Gerechtigkeit gerungen werden muss. ich denke, dies ist gerade die Aufgabe unserer Generation.
          Mit einem lieben Gruss
          Christian

  2. Monika Müller sagt:

    Liebe alle
    Die Generfrage ist in der Tat eine wichtige Frage, nur muss uns im Westen bewusst werden, dass sie je nach Kulturraum anders beantwortet werden kann. Die von uns propagierte Freiheit und Gleichstellung birgt meines Erachtens auch eine Gefahr, nämlich die, dass sich häufig weder Mann noch Frau ihrer Wesensart mehr bewusst sind. Das sieht in anderen Teilen der Welt und in anderen Religionen ganz anders aus. Mich hat das muslimische Gebet, egal ob von Frauen oder Männern praktiziert seitdem ich es kennengelernt habe bleibend beeindruckt und massgeblich zu meiner bewussten Entscheidung als Christin zu leben beigetragen. Etwas ist mir während dem Leben mit oder bei den Muslimen wichtig geworden, nämlich nicht die Frau im Islam als pauschal vom Mann unterdrückt zu sehen. Das ist schlichtweg nicht wahr!! Die muslimische Frau hat unter Umständen viel „Freiheit“ und „Macht“, jedoch total anders definiert als bei uns. Meines Erachtens hat die Unterdrückung der Frau nicht primär mit der Religion, sondern mit Armut zu tun. Ich möchte wirklich alle anhalten, sich differenziert mit der Thematik auseinander zu setzen, bevor hausgemachte Vorurteile punktuell bestätigt gesehen werden. Leider war ich in Ankara nicht dabei, ich möchte einfach darauf hinweisen, dass Pater Patrice offenbar ein christlicher Mann ist, der über die Rolle der muslimischen Frau gesprochen hat, was dem interreligiösen Dialog sicher förderlich ist, jedoch auch mit Vorsicht zu sehen ist. Wieso fragt ihr nicht mal eine muslimische Frau zu ihrer Sicht der Dinge, bevor ihr glaubt zu wissen, ob sie Ungerechtigkeit erfährt?! Und wenn schon für die Stellung der Frau gebetet wird ist es absurd den Mann dabei wegzulassen, denn dieser ist ja massgeblich daran beteiligt oder? Weiterhin gute Pilgerfahrt an die Pilger und nehmt mich mit ins Gebet in den Moscheen!

    • Rita sagt:

      Ich finde auch, dass die Männer ins Gebet miteinbezogen werden müssen.
      Ich möchte noch sagen, dass ich sehr beeindruckt bin vom Gebetsruf, der überall zur gleichen Zeit von den Minaretten ertönt und die Menschen zum gleichzeitigen Gebet, ausgerichtet nach Mekka, einlädt.
      Allein die Vorstellung, dass soviele Menschen, ausgerichtet nach einem einzigen „Ziel“ beten, finde ich überwältigend. In diesem Ritual empfinde ich eine grosse Kraft, von der wir viel lernen können in unserem Engagement für Frieden und respektvolles Zusammenleben, das alle Menschen und alle Lebewesen einschliesst.
      Mit herzlichen Grüssen
      Rita

    • Christian Rutishauser sagt:

      Liebe Monika
      Hab‘ Dank für Dein Votum. Gut gemeinter doch naive Einsatz, der die unterschiedlichen kulturellen Codes nicht berücksichtigt und je in ihren positiven und negativen Aspekten wahrnimmt, hilft nicht weiter. Hier im Blog kann die Diskussion kaum differenziert genug gefuhrt werden, doch sie hoffentlich anregen.
      Mit einem Pilgergruss aus Anatolien
      Christian