206. Tag: Das leere Grab

Gestern stiegen wir nach dem Wallfahren und der Eucharistiefeier in der Grabeskirche nicht mehr zum Felsen hinauf, auf dem der Standort des Kreuzes Jesu verehrt wird. Auch zum heiligen Grab, in dem er bestattet worden ist, gingen wir erst heute Morgen. Matthias Grünewald hat auf seinem Isenheimer Altar den Lendenschurz des Gekreuzigten gleich gemalt wie die Windel, mit der der neugeborene Knabe in der Krippe eingehüllt ist. Der Maler wollte damit sagen: Geboren-Werden hat als Folge auch einmal sterben zu müssen. Und: Gottes Sohn ist von Anfang an für uns Mensch geworden, damit er für uns lebt und sein Leben hingibt – im Sterben.

Das leere Grab war während meiner grossen Exerzitien der Moment, an dem ich am längsten hängen geblieben bin: Die Menschen hatten die Stimme Jesu gehört, sie konnten ihn berühren und anfassen, einige seiner Bekannten hatten seinen Leichnam ins Grab gelegt und: Jetzt plötzlich – am Ostermorgen – ist das Grab leer. Er ist verschwunden, weg. Ist nach der Hinrichtung dieses Mannes in bestem Alter, was schon eine Tragik ist, denn nun gar nichts mehr übrig – nicht einmal der Leichnam? War alles nur Einbildung, Hirngespinst? – Erst die Begegnung des Auferstandenen mit den Seinen gibt ihnen den Glauben zurück, jetzt eine Potenz höher: Er lebt neu und stirbt nicht mehr! Es gibt keinen Beweis für die Auferstehung – es gibt nur Glauben an den Auferstandenen.

Heute Abend werden wir von Jerusalem nach Bethlehem gehen und dort in der Nacht die Christmette feiern. Als mich heute meine Schwester anrief, und ich ihr davon erzählte, bat sie mich: „Die Auferstehung leg in die Krippe für Mami!“ Das werde ich tun.

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8 Kommentare zu 206. Tag: Das leere Grab

  1. Lieber Franz,
    ihr seid angekommen und ich weine Freudentränen mit euch, vor meinem Auferstehungskreuz leuchtet ein Licht, wie so oft, wenn ich an euch gedacht habe. Auch in die Exerzitien mit Schreibmethoden, die ich vorige Woche das erste Mal allein geleitet habe, ward ihr eingeschlossen auf eurem Weg. Ich denke an den Tag, als wir das Pilgerband mit euch halten durften und dass es jetzt gesalbt wurde…
    Und wie froh ich war, als auch von dir andere als Streckenkommentare zu lesen waren. Da dachte ich, jetzt ist es leichter für dich…
    verstehe ich recht, dass eure Mami nicht mehr lebt?
    dann haben sie’s schon zusammen gut, deine Mami und mein Vater, wir haben ihn heuer im Februar begraben.
    Euch allen zusammen noch einmal ein freudiges, unvergessliches Weihnachten in Bethlehem! Monika mit Robert

    • Franz Mali sagt:

      Liebe Monika und Robert,
      Mami ist zuhause im Bett und kann – so hat sie mir heute am Telefon gesagt – nicht mehr aufstehen. Ihr geht es nicht gut.
      Vielen Dank für all deine Gebete und Gedanken! Wir haben das wohl sehr oft wahrgenommen.
      Ja, das Feiern des Gottesdienstes in Bethlehem war etwas Besonderes: Wir waren im Caritas Baby Hospital. Danach hat es in Strömen geregnet, sodass wir nicht mehr in den Ort zur Geburtskirche gegangen sind. Ich werde das in den nächsten Tagen noch nachholen.
      Ganz herzliche Grüße und Euch auch ein gesegnetes Weihnachsfest
      Franz

  2. gerlinde bartl sagt:

    Lieber Franz!
    Auch von Graz möchten wir dir Weihnachtswünsche senden.
    Mit ganz gemischten Gefühlen saßen wir heute vor unserem schön geschmückten Weihnachtsbaum, es konnte kaum Freude in uns aufkommen. Wir sangen einem besinnlichen Jodler für Mami durchs Telefon und konnten ihre leises „Danke “ mit bedrückter Stimme hören. Eva- Maria weinte anschließend und wir beteten einen Teil vom Rosenkranz, um Mami ganz fest in unsere Gedanken einzuschließen.
    Es muss wunderschön sein sein Ziel so emotionel zu erreichen.
    Vielen, vielen Dank für die wunderschönen Texte, die ihr im letzten halben Jahr geschrieben habt.
    Wir freuen uns schon sehr auf ein Wiedersehen!
    Liebe Grüße an alle Pilger – ihr habt etwas wunderschönes fast Unmögliches erreicht.
    Ab morgen können wir euch weiße Weihnachtswünsche schicken –
    Liebe Grüße Hugo, Gerlinde, Eva-Maria und Johannes

    • Franz Mali sagt:

      Liebe Gerlinde, Hugo, Eva-Maria und Johannes,
      vielen Dank für eure Zeilen! Euer Besuch in Slowenien ist uns allen auch noch ein ganz lebendiger und bewegender Erinnerung!
      Ja, die Hoffnung können wir behalten, die Hoffnung auf Auferstehung. Da habe ich Mami heute auch Jesus hingehalten, dem kleinen Kind in der Krippe.
      Ich freue mich auch schon auf das Wiedersehen – bis bald
      Franz

  3. Siegi und Mante sagt:

    Lieber Franz
    Jetzt fühle ich mich noch mehr verbunden mit Dir als zuvor, denn Jerusalem war mir lange Heimat und die Anastasis meine „Dorfkirche“, zu der ich abends noch schnell auf einen Sprung gehen konnte.
    Das Heilige Grab ist kein Ort des Verweilens. Die griechischen Mönche sorgen schon dafür, das die Wahrheit der Frohen Botschaft spürbar wird, wenn sie euch aus dem dunklen Ort hinausdrängen ins grelle Licht des Lebens – des ewigen Lebens. Bei aller Sorge um die Mami: sie geht voraus ins Licht der Auferstehung.
    Lasst Dir Zeit um Ankommen, nehmt Euch die Zeit zum Da-Sein.
    Herzlichst
    siegi und mante
    p.s.: morgen fahren wir in die steiermark und sind zum jahreswechsel wieder zurück

    • Franz Mali sagt:

      Chère Mante, lieber Siegi
      danke für die ermutigenden Zeilen. Euch einen ganz schönen Aufenthalt in der Steiermark und einen Gruss dorthin
      Herzlich
      Franz

  4. Aloisia und Herbert sagt:

    Danke für die Steirergrüße.
    Voll tiefer Rührung liebe Grüße aus der Steiermark an Euch.
    Nochmal gesegnete Weihnacht….

    • Franz Mali sagt:

      Liebe Luise und Herbert,
      wir haben gut und sehr berührend Weihnachten gefeiert. Ich habe bei unserem Gang nach Bethlehem auch an euch gedacht: Ihr seid vielleicht auch zur Mette marschiert…
      Ich wünsche Euch ein gesegnetes Neues Jahr
      herzlich
      Franz