Obwohl ich in diesen Tagen die begrenzte Zeit, die ich mir für Tagesnachrichten nehme, der Beobachtung der arabischen Welt und Israel schenke, habe ich heute mit Spannung den Ausgang der Schweizer Bundesratswahlen erwartet. Nicht nur über das Resultat bin ich erfreut, sondern auch über unser funktionierendes politisches System. Dass ein verlässlicher Rechtsstaat und ausdifferenzierte demokratische Spielregeln keine Selbstverständlichkeit sind, sondern das Resultat langwieriger Arbeit, wird mir im orientalischen Kontext besonders bewusst. Und es macht mich gegenüber allen dankbar, die hier ihre Kräfte für eine humanere und gerechtere Gesellschaft einsetzen, zumal mein Hauptinteresse und meine Kompetenz in andern Bereichen liegen.
So bin ich in den letzten Tagen auf zwei Bücher gestossen worden, die mich beide zu fesseln begannen: Amin Maaloufs „Identités meurtrières“ und „The Case of Sigmund Freud. Medicine and Identity at the Fin de Siècle“ von Sander L. Gilman. Der in Frankreich lebende Libanese geht vor dem Hintergrund globaler und nahöstlicher Erfahrungen der Frage nach, wie Identität ohne Folgen von Aggresseion gegen den Andern gebildet werden kann. Der amerikanische Jude arbeitet sich daran ab zu zeigen, wie die Wissenschaft in Medizin und Rassentheorie ein Judenbild schuf, um dann die Juden im Namen des Fortschritts aus Europa eliminieren zu können. Der Essay und die Fallstudie sind für mich Mosaikteile, um immer tiefer zu verstehen, wie wir Menschen funktionieren, wer wir sind, was es zu beachten und zu fördern gilt und wo wir vorsichtig sein sollen, um nicht von Verblendungsmechanismen heimgesucht zu werden. Es ist für mich einerseits ein adventlicher Beitrag, wirklich Licht in der Welt aufscheinen zu lassen, und andrerseits ein weihnachtliches Anliegen, immer mehr Mensch zu werden. Dass mir unser Pilgern nach Jerusalem zu solcher Lektüre Zeit gibt, hätte ich nie gedacht.
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Meta
Ich wünsche dir, lieber Christian, viel Musse für klare Gedanken und weitere anregende Lektüre. Auch die Politik geht den guten Weg, wenn man sie loslässt. Ich feue mich, dich wieder im Lasalle Haus zu treffen.
herzliche Grüsse
Bernhard
Lieber Bernhard
Danke für die weisen Worte! Ich freue mich natürlich auch, Dich wieder zu sehen, miteinander zu feiern, zu diskutieren – auch über Politik 🙂
Herzlichst, Christian