Selbstwertgefühl auftanken

Heute nachmittag, bevor die Gruppe aus der Schweiz angekommen ist, haben wir vier Pilger zusammen mit Beat Näf vom Historischen Seminar in Zürich, mit Verena Füllemann, die uns noch einige Tage begleitet, und mit Toni Steiner, der mit dem Zug nach Istanbul gefahren ist, das „Panorama 1453“ angeschaut. In einem modern eingerichteten Museum und einem traditionellen Panoramabild wird die Eroberung von Konstantinopel erzählt. Mich hat weniger die historische Tatsache interessiert, die ich schon kenne, sondern wie die Türkei zu Beginn des 21. Jh. über diesen Sieg der Osmanen berichtet. Erinnerung an Heldentaten der Vorfahren sagt viel darüber aus, wie man sich selbst sieht. In der Darstellung sagen die Türken vieles über sich.
So war zuerst auffallend, dass alles nur Türkisch beschriftet ist; Anderssprachige brauchen einen Kopfhörer. Inhaltlich stach hervor, wie herausgestrichen wurde, dass Sultan Mehmed II. nach der Eroberung 1453 sehr tolerant gewesen sei und alle ihren Glauben hätten weiter ausführen können. Die Umwandlung der Hagia Sophia in eine Mosche oder das Niederreissen von Kirchen wurde nicht genannt. Auch die Plünderung der Stadt nach der Eroberung wurde verschwiegen. So gab es zu beobachten, wie etwas erzählt oder was verschwiegen wurde. Das Panoramabild gibt mit seinem dreidimensionalen Aufbau und seiner akustischen Untermalung die Möglichkeit, unversehrt in ein Schlachtgetümmel einzutauchen, das jedes Bubenherz und jede Ritterphantasie bei jungen und ältern Männern beflügeln muss. Zahlreiche türkische Männer liessen sich denn auch vor dem Schlachtbild wenn nicht in Heldenpose so doch stolz fotografieren.

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7 Kommentare zu Selbstwertgefühl auftanken

  1. Gertrud Hüsken sagt:

    Liebe Pilgergruppe
    heute morgen haben wir den sehr guten Zwischenbericht von Christian im Radio gehört. Eure beachtliche Leistung kam über diesen Kanal noch einmal verstärkt bei uns an, aber auch die spirituelle Erfahrung und euer Anliegen. Da mir eure Verletzbarkeit auch nochmals deutlich wurde, habe ich grad noch ein paar Schutzengel mobilisiert. Heute ist Bettag und wir schliessen euch alle in unseren Dank ein.
    Macheds guet und hebed üch Sorg.

    Gertrud

    • Christian Rutishauser sagt:

      Liebe Gertrud
      Danke für die Rückmeldung. Uns geht es gut und ich bin dankbar für die breite Unterstützung. Dass unser Anlıegen nochmals transportiert werden konnte, hat mich gefreut.
      Mit liebem Gruss
      Christian

  2. ljudmila schmid sagt:

    Liebe Pilger, Die heutige Betttags-Radiomittleilung über Euren Rast auf halbem Weg nach Jerusalem war wunderbar! Danke P.Rutishauser!Ich wünsche Euch eine fruchtbare Begegnung in Istanbul! Für Euch mache ich heute eine Pilgerfahrt nach Mariastein zur „Maria des Trostes“, wo ich für Eure zweite Hälfte intensiv beten werde, dass Ihr das Pilgerziel sicher erreichen möget. Gott segne Eure Mühen… Herlichen Pilgergruss Ljudmila aus Basel

    • Christian Rutishauser sagt:

      Liebe Frau Schmid
      Haben Sie Dank! Gestern abend ist Marco spaet im Hotel eingetroffen und wir sind in der Lobby gleich aufeinander gestossen. Heute nun war bereits ein spannender erster Tag von Begegnungen.
      Mit liebem Gruss
      Christian Rutishauser SJ

  3. jessy sagt:

    wer sich für das thema selbstwert/selbstbewusstsein interessiert kann auch mal da: selbstbewusstsein vorbeigucken. LG, jessy

  4. Beat Näf sagt:

    Wir wurden auch photographiert und sind in facebook. Wofür? Einbezogen in die türkische Darstellung der Ereignisse von 1453? Einbezogen in die Darstellung eines Abschnittes des Pilgerunternehmens? Einbezogen in persönliche Geschichten? Einbezogen in eine Darstellung einer Museumstechnologie? Tausende von Deutungen sind möglich. Momente, Ereignisse und ihre Vergegenwärtigung sind unendlich reich. Bilder sind Geschichten, wir ergänzen sie durch Geschichten, und es entsteht ein Abbild eines Ausschnittes jener Geschichte, die wir die Geschichte nennen, der wir gerne angehören möchten, weil wir die Rede von ihr brauchen um zu sagen, wo wir hingehören, wer wir als Angehörige bestimmter Gemeinschaften sind. Identitätsrepräsentation hat das ein Philosoph genannt. Ein Wortungetüm, ja. Dennoch nützlich. Freilich, wie wie bei der Darstellung von Geschehen ist auch die Darstellung der Analyse historischer Darstellung nie so wie der Vollzug selbst. Geschichten und Geschichte sind genausowenig das, was wir von der Geschichte als der wirklichen Geschichte schlechthin berichten, lesen und erzählen, vielmehr allein das, was wir im lebendigen Austausch immer wieder von neuem unternehmen. Und eine religiöse Vorstellung ist es, dass der vollkommen Vollzug in der Hand Gottes liegt, dass allein dort aufgehoben ist, was Geschichte als Inbegriff sämtlicher Geschichten Menschen unmöglich ist.

    • Christian Rutishauser sagt:

      Lieber Beat
      Danke für Deine Überlegungen. Ja, Deutungen sind unterschiedlich möglich, und Geschichte ist Konstuktion der stets neuen Gegenwart. wir hatten nur kurze Zeit um darüber zu diskutieren. Doch es ist noch nicht aller Tage Abend.
      Mit einem herzlichen Gruss
      Christian