Jerusalempilger und Ramadanfastende haben etwas gemeinsam: Sie frühstücken vor Sonnenaufgang. Wir sind besonders früh und noch in der Dunkelheit machten wir uns auf. Wie immer beginnen wir unser Gehen mit einem Wort aus der Bibel: „Ihr aber, Brüder, lebt nicht im Finstern, so dass euch der Tag nicht wie ein Dieb überraschen kann. Ihr alle seid Söhne des Lichts und Söhne des Tages… Darum wollen wir nicht schlafen wie die anderen, sondern wach und nüchtern sein.“ So aus der Tageslesung des Tessalonicherbriefs. Noch ist Nacht, doch die Strassen von Hasva sind schon beleuchtet, und die Girlanden mit Fähnchen der Türkei und der Stadt flattern im kühlen Morgenwind. Ich beginne beim Gehen in Stille nicht wie üblich mit dem „Höre Israel“ und dem „Ich preise Dich Vater“ aus dem Matthäusevangelium, sondern mit dem Benediktus. Mir ist es ums Loben und Danken. Noch bevor ich zu Ende gebetet habe, begegnen wir den Trommlern, die durch die Strassen ziehen und die Leute an diesen letzten Fastenmorgen wecken. Es ist der erst Bairam-Tag, das Fest zum Ende des Ramazan. Ich höre das Trommeln durch die Nacht und beginne zugleich mit dem Gloria, das ich stets auf das Benediktus folgen lasse, denn dieses endet mit der Friedenszusicherung, während das Gloria damit beginnt. An Weihnachten, wenn wir in Bethlehem ankommen, soll es dann in aller Fülle erklingen: „Ehre sei Gott in der Höhe und Frieden auf Erden den Menschen seiner Gnade.“ Heute morgen aber mischt sich in meinen Lobpreis der Muezzin, ruft zum Wachen und zum Aufstehen und stimmt das Gebet an: „Allahu akbar.“ Ich bin berührt, ja Gott ist grösser als alles, er ist in der Höhe. Ich empfinde eine tiefe Verbundenheit mit den Muslimen. Dass Gott grösser ist, macht den Menschen nicht klein, sondern gibt ihm endlich Frieden, geht es mir durch den Kopf. Nicht dass ich empfinde, wir hätten beide einfach denselben Gott, denn die Vorstellungen, wie er sich offenbart hat – und dies ist für den Lebensvollzug entscheidend – sind doch verschieden. Doch ich habe mit den Muslimen ebensoviel gemeinsam, wie mit all den säkularen, nicht-christlichen Zeitgenossen bei uns im Westen. Verbundenheit und Differenz mit beiden liegen auf je anderer Ebene, sind meinerseits gegenüber beiden jedoch mit Wertschätzung und Abgrenzung zugleich verbunden. Auf jeden Fall: Gott ist grösser und er ist der Andere. So schreiten wir aus dem Dorf Hasva auf die grosse Umfahrungsstrasse und die weite Ebene hinaus. Der Muezzin ist schon verstummt, doch die kläffenden Hunde höre ich noch lange. Im Osten liegt nun bereits ein Lichtschimmer am Horizont. Der werdende Tag lässt die Landschaft um uns herum langsam aus dem Dunkel in die Helle erstehen. Die Geschöpfe sind in dieser Morgenstunde noch ganz bei sich und werden in den Goldstrahl des Morgenrots gehüllt. Ich gehe in den Morgen hinein, wie ein Sohn des Lichts, klingt die Lesung nach. Als die Sonne nach eineinhalb Stunden Gehen selbst erscheint, fallen ihre Strahlen für uns eben auf einen kleinen Friedhof am gegenüber liegenden Hang. Gedanken der Endlichkeit des Menschen und der Begrenzheit seiner religiösen Vorstellungen steigen in mir auf. Und mein Blick geht hinüber zum schlanken, weissen Minarett der Dorfmoschee von Necatiye: Ja, Allahu akbar.
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Meta
Lieber mir durch den Blog bekannten Christian und Mitwandernde
Das Bild der beginnenden Morgenröte gibt mir nach einem schwierigen Tag die nötige Ruhe zum Schlafen, danke! Ich schöpfe viel Kraft durch eure Berichte und bin mit meinen Gedanken mit euch. Einen neuen guten Tag wünsche ich euch und grüsse euch herzlich.
Suzanne
Liebe Suzanne, Danke für die Zeilen und vor allem wünschen wir Dir immer wieder guten Schlaf. Mit einem lieben Gruss, Christian
Lieber Christian,
liebe Hildegard, Esther und Franz
Täglich verfolge ich eure Berichte und bin mit euch verbunden. Ich freue mich über all die reichen Erfahrungen, die ihr teilt, und freue mich, dass ihr bereits wohlbehütet in der Türkei angekommen seid.
Gerade habe ich vergebens versucht, einen Bund-Artikel von gestern online zu finden. Es ging um eine Ausstellung in Wien über sefardische Juden in der Türkei. Dafür schicke ich euch direkt den Link auf die entsprechende Museumsseite: http://www.jm-hohenems.at/index.php?lang=0&id=3010
Bin gespannt auf eure weiteren interreligiösen Begegnungen.
In herzlicher Verbundenheit
Gabriela
Liebe Gabriela, danke für den Link. die Geschichte der Sepharden im osmanischen Reich ist einmalig, denn hier haben sie nach der blutigen Geschichte in Spanien bleiben Niederlassung gefunden. Ich denke, wir werden aber nur auf wenige Spuren dieser Zeit stossen. In Edirne steht noch die alte Synagoge. Mit einem lieben Gruss der Verbundenheit, Christian
Lieber Christian,
danke für Deine Gedanken zu den beiden Religionen; sie bringen die Dinge für mich gut auf den Punkt, was ich nicht zuletzt als recht hilfreich empfinde im Blick auf manche doch recht mühselige von allen möglichen Ängsten durchdrungene Debatte über die Schwesterreligion (und das selbst unter nachdenklicheren Zeitgenossen).
Euch allen vieren weiterhin einen guten Weg und liebe Grüße aus der nunmehr wieder sehr kühlen Mitte Europas von Daniela
Liebe Daniela, ja, die inrerreligiöse Debatte spiegelt oft mehr die Ängste oder Begeisterung der Beteiligten und weniger das konkrete Wissen umeinender. Ich hoffe, dass ich beim Pilgern gerade in diesem Bereich auch wieder neu dazu lernen darf. Mit einem Gruss aus der heissen Türkei, Christian
Lieber Christian,
das wünsche ich Dir, nicht zuletzt aus einem noch weiter gehenden Interesse heraus, denn Du bist ja auch jemand, der Erkenntnisse und Wissen gut vermitteln kann, und die Themen (Naher Osten und Islam) liegen bei uns in Europa einfach auf dem Tisch und warten auf eine angemessene Bearbeitung und Menschen, die mit dem nötigen Einfühlungsvermügen und Sachverstand da ran gehen. Viele liebe Grüße Daniela
Lieber Christian,
Dir, Franz, Esther und Hildegard möchte ich für die Reise in muslimischen
Ländern und für interreligiöse Begegnungen die folgenden Texte schicken:
Muslimisches Eröffnungsgebet (Sure 1): Die Eröffnung
1 Im Namen Gottes, des Allerbarmenden und Barmherzigen,
2 Das Lob gebührt Gott, dem Herrn aller Welt,
3 dem Allerbarmenden und Barmherzigen,
4 dem Herrscher am Tag des Gerichts.
5 Dir dienen wir und dich bitten wir um Hilfe.
6 Führe uns den geraden Wege,
7 den Weg derer,
denen du Gnade schenkst,
denen nicht gezürnt wird
und die nicht irregehen!
Das Vaterunser:
(1u.2)Vater unser im Himmel,
geheiligt werde dein Name!
(4) Dein Reich komme,
(5) Dein Wille geschehe wie im Himmel so auf Erden!
(5) Unser tägliches Brot gib uns heute!
(3) Und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unsern
Schuldnern!
(6) Und führe uns nicht in Versuchung,
(7) sondern erlöse uns von dem Bösen.
(2) Denn Dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit!
Amen
Das Sch’ma Jisrael:
Höre Jisrael! Adonai (ist) unser Gott; Adonai (ist) Eins.
Gelobt sei Gott und Allahu akbar und Halleluja!
Pia
Liebe Pia, Deine Gebete und Texte freuen mich sehr. Ja, man muss einander kennen lernen, um sich wirklich zu begegnen. daran haben wir allen in diesen Tagen grosse Freude. Mit liebem Gruss, Christian
Lieber Christian,
bei Ellen, der Frau meines Kollegen Wolfgang, wurde ein Bauchspeicheldrüsen-CA festgestellt und nun stehen schwerwiegende Entscheidungen an. Das beschäftigt mich jetzt neben dem anderen auch sehr. Liebe Grüße Daniela
Liebe Daniela, als Pilgernde sind wir zugleich Betende für Andere, alos auch für Ellen. Mit liebem Gruss, Christian
Oh, lieber Christian, ich danke Dir so; ich trau mich ja schon fast nicht mehr bei Euch nachzufragen; vermutlich habt Ihr ohnehin schon genug im Gepäck und neben dem Persönlichen gibt es ja dann auch noch die ganz großen Themen, die Euch ja auch spürbar auf Eurem Weg begleiten. Aber um mich herum brennt’s im Momemt ganz arg (es gibt noch ein paar mehr blöde Feuerstellen), und da ist es einfach gut zu wissen, dass man noch ein paar Menschen mehr um ihr Gebet bitten kann. Liebe Grüße und viele weitere gute, Tiefe und Weite schenkende Erfahrungen Deine/Eure Daniela
Liebe Daniela, es ist wunderbar, wie sich beim Pilgern die „grossen Fragen“ der Länder, Religionen und Gesellschaften mit den „kleinen Fragen“ des Täglichen Lebens und der eigenen Biographie verbinden. Echt ignatianisch, wo beides miteinander in den Dialog gebracht wird. Mit liebem Gruss, Christian
Ps 57 „Wach auf, meine Seele !
Wacht auf, Harfe und Saitenspiel! Ich will das Morgenrot wecken.
Ich will dich vor den Völkern preisen, Herr, dir vor den Nationen lobsingen……“ so beteten wir in der schmucken Klosterkirche während IHR, in der prächtigen Weite des Gottestempels….. Herrlich, einander im Herzen und in Gedanken nah zu sein !
„Durch die barmherzige Liebe unseres Gottes wird uns besuchen das aufstrahlende Licht aus der Höhe, um allen zu leuchten, die in Finsternis sitzen.“ (Aus Benedictus; o geniesst diese so tief erlebbare
Morgenstimmung)
Danke für den Gloria Impuls. Erlebte dadurch einen tiefen, beschwingten, innerlich frohen, sonnigen Tag.
Sr. M. Karin Bättig – ( aus dem Kloster Eschenbach)
Liebe Sr. Karin
vielen, lieben Dank für die Rückmeldung. Das Morgenrot der Psalmen ist uns wirklich tagtäglich ein Begleiter. Jeronimo Nadal, ein Mitbegründer des Jesuitenordens, hat das Wort geprägt: „Die Welt ist unser Haus.“ Und die Klosterkirche, sie steht für diese Welt!
Herzlichsten Dank für die Verbundenheit im Gebet, Christian
Dear Christian
As always, I admire your readiness finding interfaith elements in prayers all leading us to the same God. I sincerely hope that at the Istambul Interfaith Conference you will find an atmosphere of tolerance, compassion and understanding. I continue to pray for your safety and of your fellow pilger.
For those of the blog readers who may know less about Judaistics than of the Quaran, I complete the words of the „Schema Yisroel“
Hear, O Israel, the Eternal is our God
The Eternal isOne
And thou shall love the Eternal, thy God, with all thy heart, and with all thy soul, and with all thy might. And these words which I command thee this day shall be engraven on thine heart. And thou shall teach them assiduosly unto thy children, and speak thereof when thou sittest in thy house, and when thou goest on the way, and when thou liest down and when thou risest up. And thou shall bind them for a token on thy hand, and they shall be as frontlest between thine eyes.And thou shall write them upon the door-posts of thy house, and upon thy gates.(Old English text).
Marianne
Dear Marinne, thanks for your comment and for completing the Schema! Yours, Christian