196. Tag (aus Amman): Wallfahren heisst für mich… (XII)

Heute gibt es keine Strecke. Stattdessen eine weitere Folge zum Thema „Wallfahren“.

Wallfahren heisst für mich: Das Ziel meines Lebens im Auge haben.

Wenn wir auf dem Weg für eine sterbende oder verstorbene Person beten, singen wir das Lied: „Zum Paradies mögen Engel dich geleiten“. Es ist einer meiner Lieblingsgesänge: Es liegt sehr viel Vertrauen und Hoffnung darin, dass der Mensch, für den es gesungen wird, in Gottes Schoss aufgehoben wird, dass er geborgen wird, dass er Ruhe findet, dass er Wärme und Angenommen-Sein in der ganzen Fülle erfahren darf, für die das „himmlische Jerusalem“ ein Bild ist. – Ich möchte den Text wiedergeben:

„Zum Paradies mögen Engel dich geleiten,
die heiligen Märtyrer dich begrüssen
und dich führen in die heilige Stadt Jerusalem.
Die Chöre der Engel mögen dich empfangen
und durch Christus, der für dich gestorben,
soll ewiges Leben dich erfreuen.“

Jerusalem ist hier ein Bild für das Heil in der Gemeinschaft Gottes, ja für das ewige Leben: Jerusalem braucht keine Sonne mehr (Offb 22,5), denn „die Herrlichkeit Gottes erleuchtet sie und ihre Leuchte ist das Lamm“ (Offb 21,23).

So ist diese Wallfahrt nicht nur ein Abschnitt in meinem Leben, sondern ein Symbol für mein ganzes Leben.

Das Ziel unseres Pilgerweges ist das irdische Jerusalem. Das Ziel meines Lebensweges ist das „himmlische Jerusalem“, sei nun dieser Pilgerweg des Alltags dorthin monoton wie eine flache Autobahn oder verwinkelt und unübersichtlich, wie das Strassengewirr einer Altstadt, aus der ich kaum herausfinde: Immer ist mein Leben ausgerichtet auf dieses Zuhause, auf diese himmlische Stadt, die von Gott geschenkt wird.

Dieser Blick nach vorne beinhaltet für mich den versöhnten Abschied vom Blick zurück und gleichzeitig die Aussicht und unüberbietbare Hoffnung auf Zukunft und Geborgenheit, Behütet-Sein und Weite, Erfüllung und Heimat (vgl. Phil 3,13-14).

Dieser Beitrag wurde unter spirituell, Strecke, unterwegs veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

4 Kommentare zu 196. Tag (aus Amman): Wallfahren heisst für mich… (XII)

  1. Susanne sagt:

    Lieber Franz, das ist auch eines meiner liebsten Gebete! Die ganze Zeit habe ich Eure Wege verfolgt, und jetzt freue ich mich auf unser Zusammentreffen in Amman und den Weg nach Jerusalem- danke für’s Warten! Gibt es etwas, das ich Euch mitbringen kann? Voll gespannter Erwartung des Wiedersehens/Kennenlernens (richtig, nicht nur virtuell!), Susanne

    • Franz Mali sagt:

      Liebe Susanne,
      Es ist schön von dir zu lesen und zu warten bis Du / Ihr kommt. Wir haben hier nur einen Zwischenstopp, der aber auch fruchtbar ist und gleichzeitig ausgestreckt auf das Ziel schaut…
      Herzlich
      Franz

  2. Pia sagt:

    Lieber Franz,
    den heutigen Text habe ich mir ausgedruckt, er stellt für mich eine Quintessenz der Pilgerreise für mich als mental-seelisch Mitreisende dar,
    wieviel mehr wahrscheinlich für Dich und Euch alle. Das Paradies-Lied kannte
    ich bisher nicht, es ist sehr ergreifend, und die doppelte Perspektive auf Jerusalem ist sehr stimmig für mich.

    Hättest Du nicht Freude, diese Wallfahrtstext-Sammlung zusätzlich in einem Extra-Sammelbüchlein für Pilger heraus zu geben? Für die des Alltags und die „realen“?
    Mit einem dankbaren Gruß
    Pia

  3. Anna Maria Weishaupt sagt:

    Lieber Franz Mali!
    Vor ein paar Tagen war ich beim Begräbnis einer Verwandten meines Mannes:
    Bergbäurin, hartes Leben, Schicksalsschläge, Pflegeheim.
    Vieles habe ich während der Messe hinterfragt, zu Vieles.
    Beim Hinausgehen aus der eiskalten Dorfkirche sang der Priester, dem Sarg vorausgehend, dieses Lied. Er sang es ganz allein. – Versöhnung und Friede haben sich plötzlich ausgebreitet … durch einen einzigen Menschen!
    Und mein Fragen hat sich aufgelöst. – Danke!