Ringen mit Leben und Tod

Schon nach einer guten Stunde des Gehens kommen wir nach Jerasch und stehen vor der eindrücklichen Kulisse des antiken Gerasa. Die Säulen des Cardo, das Theater, das Hippodrom, die Stadttore und Triumpfbogen sowie der Artemistempel zeugen von der einstigen Blüte. Doch nicht nur alte Architektur, die heute von Touristenströmen bestaunt wird, sondern auch das Wort hat die Zeiten überlebt: Das Markus-Evangelium berichtet von einem Besessenen in den Grabhöhlen vor Gerasa, der mit dem Tod kämpft, und von Jesus geheilt wird. Ich wäge im Herzen diese Erzählung ab und betrachte mit den Augen die Schönheit in Stein gehauen.
Das Ringen mit dem Leben begegnet uns wenige Stunden später, als wir steile Abhänge hinab ins Tal des Jabbok pilgern. Das Buch Genesis berichtet, wie hier Jakob in dunkler Nacht in der Furt mit Gott und Mensch kämpfte und den Segen errang, den er sich schon listig erschlichen hatte. Am Jabbok galt es den Preis dafür zu bezahlen. Als wir unser Picknick am Fluss einnehmen, geht mir diese Erzählung durch den Kopf. Auch muss ich an Nelly Sachs denken, die Jakob ein bewegendes Gedicht geschaffen hat. Während wir nach dem Essen auf der andern Talseite die lärmige Autostrasse aus dem Tal heraus hochmarschieren, entsteht in mir mein eigenes Gedicht dazu.

Am Jabbok

Ich raste da, wo Jakob kämpfte.
Der Kampf ist mir nicht unvertraut.
Dunkler Furt war kein Entrinnen.
So brennt die Wunde wunderbar.

Blut noch Wasser fliessen aus.
Segen ist’s der reichlich quillt.
Rast‘ ich doch in Israels Schatten,
esse, trinke Brot und –

Wein ist’s, wonach mich dürstet.
Er fehlt hier an des Wassers Rand.
O Seliger, tritt ein für mich,
bis im Morgengrauen ich entbunden.

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4 Kommentare zu Ringen mit Leben und Tod

  1. Summermatter Schmid Charlotte sagt:

    Die Tage in Syrien, beschrieben von Hildegard, Esther, Franz und Christian sind für mich eine tiefe Erfahrung von Gottes Schutz und Gottes Gegenwart geworden. Die Gruppe war total angewiesen auf den guten Willen der Men-schen, die ihnen begegneten.Weil die Geheimpolizei wusste, dass das Ziel Je-
    rusalem ist, wurde die Gruppe zur Gefährdung für die Menschen, die Hildegard,
    Esther, Franz und Christan aufnahmen, Gott wird die Gastgeber weiterhin behüten. Für mich ist dieser Schutz Gottes ein Aufzeigen einer Anfrage an Hidegard, Esther, Franz und Christan wieder ganz einfach den täglichen Alltag
    zu leben, jedoch in Demut und Dankbarkeit.
    Charlotte

    • Christian Rutishauser sagt:

      Liebe Charlotte
      Wir haben den Menschen auf der Strasse nie gesagt, was wir machen. Sie wurden durch uns nicht gefährdet. zugleich ist Syrien ein Staat mit einer Ideologie, die in der Wirklichkeit gar nicht gelebt werden kann. Dies weiss jeder. In unserer katholischen Kirche und in vielen Grossinstitutionen gibt es solche Phänomene. Das Leben ist oft komplizierter, als dass es kohärnt sein könnte. Und doch gilt es, so authentisch wie möglich zu leben.
      Mit einem lieben Gruss
      Christian

  2. Summermatter Schmid Charlotte sagt:

    Lieber Christian
    Deine Antwort kommt von einer Ebene her, die nicht die Meinige ist.
    Die Erfahrungen von Syrien zeigten mir die Grösse von Gottes Schutz und Gottes Gegenwart. Da gibt es nur Demut und Dankbarkeit. Von mir her gesehen.
    Mit einem lieben Gruss
    Charlotte

    • Christian Rutishauser sagt:

      Liebe Charlotte
      Wir alle sind in grosser Dankbarkeit!
      Mit einem lieben Gruss zum ersten Advent
      Christian