Damaskus darf nicht fehlen

Heute läuft unser Visum für Syrien aus und wir haben uns entschlossen, nicht um eine Verlängerung zu bitten, denn das Gehen südlich von Damaskus ist kaum möglich, da der Aufstand nicht so geographisch begrenzt ist, dass wir auf einer vernünftigen und zusammenhängenden Strecke pilgern könnten. So sind wir heute Morgen mit dem Bus nach Damaskus gefahren, haben da um 8.00 Uhr gefrühstückt und drei für uns wichtige Stätten in der Altstadt zur Besichtigung ausgewählt: Die Omayyaden-Moschee mit dem Schrein Johannes des Täufers, das Pauluskoster, das an Pauli Flucht aus der Stadt erinnert, und die Hananias-Kirche. Der Besuch in Letzterer hat mich besonders bewegt, denn es ist der Ort, wo Paulus nach seiner Christuserscheinung vor Damaskus aufgenommen wurde. Bei Hananias fand er Heilung von seiner Verblendung im Kampf gegen den Auferstandenen, hier liess er sich taufen und hier wurde ihm die Chance gegeben, die ersten Schritte als Jünger Christi zu gehen. Sein Ringen darum, was das Christusereignis sowohl für Juden als auch für Nicht-Juden bedeutet, hat mich in den letzten 13 Jahren begleitet und mir die Schlüssel für den jüdisch-christlichen Dialog gegeben. In der Hananias-Kirche war mir meine Paulus-Interpretation, zu der ich jenseits der katholisch-reformatorischen Deutung gefunden habe, präsent und all meine Freunde, die sich ebenso an Paulus abringen und an ihm die Zähne ausbeissen. Dies ging nicht, ohne eine Träne zu vergiessen.
Am Nachmittag nahmen wir ein Taxi und fuhren an die jordanische Grenze. Der Übertritt war langwierig doch problemlos. Und als wir am Abend ins Hotel in Irbid kommen, haben wir endlich wieder Internetzugang und können Nachrichten sehen. Die erste Meldung aus Syrien: Zwei türkische Pilgerbusse, aus Mekka kommend, wurden heute bei Homs von der syrischen Armee angegriffen. Wir aber atmen auf.

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3 Kommentare zu Damaskus darf nicht fehlen

  1. Rahel Walker sagt:

    Lieber Christian,

    die Spannung des jüdisch-christlichen Dialogs und die damit verbundenen Herausforderungen, denen sich Paulus gestellt hat, haben wir auf unserer Israelreise im Sommer ebenfalls wahrgenommen. Wir waren zuerst in Jerusalem, dann in Galiläa, bevor wir am letzten Tag noch einmal an die Klagemauer zurückfanden. Als Christen erlebten wir uns in einer grossen inneren Spannung gegenüber dem vor der Westmauer so sichtbaren Volk Gottes. Einerseits empfanden wir eine Art heilige Eifersucht, andererseits aber auch die Tragik, die sich an diesem Volk aus christlicher Sicht zeigt. Gerade die Kleidung der Orthodoxen ist ein Symbol dafür. Die befreienden Worte des Paulus, wonach wir Christus anziehen sollen, standen an diesem Ort im Gegensatz zur Sichtbarkeit der jüdischen Religionszugehörigkeit. Und doch bleibt der Respekt vor den Ersterwählten und der Vorsehung Gottes immens.
    Wir waren in den letzten zwei Wochen mit Euch unterwegs und sind dankbar, dass Ihr in Jordanien gesund angekommen seid.

    Dominik, Rahel und Flurina

    • Christian Rutishauser sagt:

      Liebe Rahel und Flurina, lieber Dominik
      Dass Christen und Juden ihre je eigene Berufung in der Heilsgeschichte haben, beide sie aber auch verraten, ist ein Gedanke, den ich in paulinischer Logik gerne entwickle. Ich hoffe, dies auch deutsch lesendem Publikum bald ausführlicher darlegen zu können.
      Mit liebem Gruss
      Christian

  2. Rolf Wäger sagt:

    Liebe Pilger
    Ich habe gerne euren Weg ans Ziel mitverfolgt – bewegend. Und immer frage ich mich, wie es mir ergangen wäre.
    Nun, seid ihr am Ziel ? Oder ist es immer noch der Weg, der das Ziel ist ? Was kommt danach ? Ich wünsche euch eine heiligende Leere nach eurem Pilgern, damit dieses Gefäss wieder aufgefüllt werden kann, mit anderen Inhalten natürlich.
    Dir Esther wünsch ich ein schönes Zurückkommen zu uns. Du darfst, sollst anders geworden sein, aber eigentlich haben wir dich gern, so wie wir dich kennen. Du hast uns gefehlt, das musst du wissen, und wir werden auf deinem Weg Rosen streuen, und die Dornen wollen wir zuerst entfernen, denn Rosen ohne Dornen, das ist nicht echt.
    Herzlich Rolf Wäger