Jupiter und Christus

Wir sitzen im Pfarrsaal von Yabrud. Als mehrere lokalePriester hinüber zur Kirche gehen, schliesse ich mich ihnen an und zelebriere eine Messe im syrisch-katholischen Ritus mit. Sie gilt einer angesehenen Verstorbenen der Stadt, doch ich feiere in der Intention, dass das Heil uns Pilgern best möglich zukomme.
Nach dem Gottesdienst werde ich auf die historische Bedeutung der Kirche aufmerksam gemacht. Für Esther, Franz und mich kann ich von Pfarrer Haddad, der an der Universität Löwen zwei Studien absolviert hat und die eben abgeschlossene Renovation der Kirche leitete, eine Führung erwirken: Im Jahre 84 n. Chr. wurde hier an der Stelle eines Baalsheiligtums ein Jupitertempel gebaut, den die Römer brauchten einen Kultort für die neue Garnison, die hier auf dem Weg nach Damaskus errichtet wurde. Durch ein Erdbeben beschädigt, wurde der Tempel wieder errichtet und 326 zu einer Kirche umgebaut. Der Bischof des Ortes hätte diese Umgestaltung von Kaiserin Helena erbeten, als sie auf ihrem Weg ins Heilige Land in der Stadt nächtigte, weiss die Legende zu berichten. Historisch wieder belegt ist die Teilname des Bischofs 325 am Konzil von Nizäa. Ich sauge diese Ausführungen auf, denn ich habe bis jetzt kaum eine Kirche gesehen, die architektonisch intakt einen heidnischen Tempel übernommen hat und zudem so professionell restauriert wurde. Dabei waren nicht nur Details wie die Sonnenlichtführung durch die Tempelarchitektur faszinierend, sondern auch die Tatsache, dass das Auffangbecken für das Blut der Opfertiere von einst heute das Wasser des Taufbrunnens aufnimmt. Das Wachstum der frühen Kirche und die Ausbreitung des Christentums in dieser Gegend mitverfolgen zu können, ist mir eine grosse Freude und weitet den Horizont über die absorbierende tagespolitische Situation hinaus.

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