Unser Historiker Franz

In der Eucharistiefeier haben wir heute der reformatorischen Schwesterkirchen gedacht, die heute den Reformationssonntag begehen. Doch hier in der muslimisch geprägten – und wenn schon christlich dann ostkirchlich – mitgeprägten Welt spielt die westliche Reformation keine Rolle.
Die Gegend des heutigen Pilgertages ist anderweitig geschichtsgeladen, sind wir doch in einer Region der Türkei angelangt, die erst nachträglich, nämlich 1938, zur jungen Türkischen Republik hinzugekommen ist. Diese hatte die Provinz Hatay/Antiochien mit Hilfe der Franzosen im Grenzstreit mit Syrien annektiert. Frankreich war an einer Allianz mit der Türkei interessiert, damit diese nicht an der Seite von Hitler-Deutschland in den Zweiten Weltkrieg eintritt. Doch nicht nur moderne Geschichte, sondern auch jene des Altertums kam heute in den Blick. Wir marschierten nämlich durch Dörtyol, das antike Issos, wo Alexander der Grosse 333 v. Chr. das Perserheer von Dareios III. zum ersten Mal schlug. Zudem liegt einige Kilometer vor uns der Fluss Saleph, wo Kaiser Friederich I. Barbarossa im dritten Kreuzzug ertrank.

Pontifex Mali

All diese Ereignisse liesen auch unseren Historiker Franz nicht unberührt. Vielleicht wollte er hier auch grosse Geschichte schreiben, denn er führte uns heute mit seinem GPS durch die Felder, bis wir zu einem kleinen sumpfigen und verwachsenen Kanal kamen, den wir nicht überqueren konnten. Weil Franz aber unbedingt den Weg auf der andern Seite erreichen wollte, legte er seinen Rucksack ab und begann kurzerhand mit Steinen im Wasser einen Übergang zu bauen. Er versuchte, auf wackligen Steinen stehend und mit den Wanderstöcken immer wieder Halt suchend, genügend feste Tritte über dem Wasser zu schaffen. Mehr als einmal rutschte er dabei mit dem Schuh ins Wasser, während Hildegard ihn in seinem Eifer zu stoppen suchte. Schliesslich konnten wir Franz überzeugen, das Unterfangen aufzugeben, da wir, mit unseren Rucksäcken beladen, uns nicht vorstellen konnten, ohne Schaden über diese Furt zu kommen. Wir wollten auch nicht, dass Franz wie Barbarossa endet. Dies wäre doch zu viel der Identifikation des Historikers mit seinem Objekt! Schliesslich wurde die Aktion abgebrochen, und wir suchten einen Umweg, den wir auch fanden. Wohl haben wir Franz davor bewahrt, wie Barbarossa zu enden, doch haben wir auch verhindert, dass er als Kirchenhistoriker zu einem Pontifex Maximus (Grösster Brückenbauer) wird. Dass er jedoch ein Pontifex Minor (Kleinerer Brückenbauer) ist, steht ausser Zweifel, weist doch schon sein Name Mali, zu Deutsch „Klein“ darauf hin.

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6 Kommentare zu Unser Historiker Franz

  1. Karsten Gerber sagt:

    Hallo Christian,
    ich grüße Euch. Als alter Lutheraner finde ich es natürlich ganz toll, dass Du so fern der Heimat an den Reformationstag denkst. Nett finde ich auch, dass Du von Schwesterkirche redest. Das sieht vermutlich nicht jeder Römer so.
    Ihr habt Euch also entschieden, durch Syrien zu gehen. Ich wünsche Euch alles Gute für diesen schweren Weg. Kommt gesund und wohlbehalten in Jerusalem an.
    Viele Grüße
    Karsten

    • Christian Rutishauser sagt:

      Lieber Karsten
      Auch wenn beides auf unterschiedlicher Ebene steht, so ist mir der interreligiöse Dialog wie die Ökumene schon immer ein grosses Anliegen gewesen.
      wie es genau mit Syrien geht, ist noch nicht entschiedden. wir werden aber im Verlauf der Woche hier informieren.
      Mit einem lieben Gruss
      Christian

  2. Christian Bachmann sagt:

    Lieber Christian,
    Es ist immer wieder lehrreich und bereichernd, Deinen Blog zu lesen. Das Bild der kleinen Brückenbauer gefällt mir gut – die baut Ihr auch täglich erfolgreich zu all den Menschen. Irgendwie ist es beruhigend dass Ihr doch noch nicht über Wasser gehen könnt – und auch der kleine Schlenker den Ihr nun für ein mal auf Eurer Strecke hattet spricht für den tollen Job den Franz täglich als Navigator leistet in diesem unbekannten Gelände. Ich hoffe es gibt dann auch mal noch einen Schlenker zum Strand für Euch für ein schönes Bad. Herzliche Grüsse, Christian

    • Christian Rutishauser sagt:

      Lieber Christian
      Heute war das Meer an unserem Weg oft industrieverbaut, doch für den Impuls mit Gebet haben wir einen schönen Flecken am Strand gefunden. In Iskenderun angekommen, lag da die Stranpromenade unweit des Hotels, so dass ich zwar kein Bad, doch den Sonnenuntergang geniessen konnte.
      Mit Dank und Gruss
      Christian

  3. Esther sagt:

    Lieber Christian
    So ein Zufall? Vorgestern war ich in Pavia, mit Tochter, Schwiegersohn und Enkelin. Unser primäres Ziel: Der „archo“ des Heiligen Augustinus. Eindrücklich und beglückend. Dann wollte ich unbedingt auch noch San Michele maggiore sehen, die Krönungskirche Barbarossas! Wir standen lange vor der faszinierenden Fassade, die Kirche war, da Mittagszeit, geschlossen. In meiner „Ferienwoche“ habe ich viel an euch gedacht und da meine Kinder nun an der via francigena wohnen, war mir pilgern, trotz immer noch lädiertem Fuss,sehr nahe.
    Mit liebem Gruss, Esther

    • Christian Rutishauser sagt:

      Liebe Esther
      Danke für die Zeilen. Ja, Barbarossa hat auch in Italien seine Spuren hinterlassen. Im Herzen bist Du auch eine Pilgerin, lädierter Fuss hin oder her!
      Herzlichst, Christian