Überwältigt ob des grossen Geschenks

Obwohl wir seit unserem Ruhetag in Derbent angesichts des Regens nun erst wieder drei Tage gegangen sind, entschieden wir uns, in Konya noch einen freien Tag einzulegen. Es ist schliesslich die Stadt Rumis. So schreibe ich gestern aus Konya einen E-Mail-Gruss an Hüseyin Peter Cunz, den Scheich des Mevlanaordens in der Schweiz. Er ist ein guter Freund von mir, gibt im Lassalle-Haus Kurse und war auch bei der Eröffnung des Pilgerprojekts im November 2010 dabei. Postwendend kommt eine Mail: „Welche Überraschung, auch ich bin gerade mit 30 Personen in Konya!“ Ich konnte es kaum glauben, wusste aber sofort, dass es kein Zufall ist, dass unser freie Tag genau mit Peters Tag in Konya zusammen fällt.

Peter und Anne Cunz, Christian, Nur Artiran, Tulin Özgün

Seine Gruppe leitet Peter zusammen mit Frau Nur Artiran, die in Istanbul einer Mevlanavereinigung vorsteht. Ihre Gruppe besteht denn auch je zur Hälfte aus den Sufischülern aus der Schweiz und aus Istanbul und ist daher zweisprachig deutsch-türkisch. Am Morgen nehmen sich Peter und Nur Zeit, uns vier Pilgern durch die Grabstätten von Rumi und seinem Seelenfreund Schams zu führen. Da gibt es keine Touristenkommentare, wenn zwei „Scheichs“ mit ihrem Wissen und ihrer Hingabe für uns da sind. Am Nachmittag fahre ich dann mit der Gruppe zur Selçuk Universität, wo Peter eine Vorlesung vor 200 Studierenden hält und ob der Fügung unserer Begegnung auch mir das Wort erteilt, damit ich unser Pilgerprojekt vorstelle. Am Abend sind wir vier schliesslich zu einem festlichen Abendessen eingeladen, wo ich in intensiven Gesprächen und Begegnungen Freundschaften wachsen sehen kann. Der grosse Respekt vor der christlichen und der sufistischen Spiritualitätstradition, die wir je leben, ist im Raum spürbar, auch wenn Einzelheiten – natürlich ging es auch um die Geschlechterrollen und die Zölibatsfrage – sehr unterschiedlich gesehen werden. Dass jede Religion nur verstanden werden kann, wenn sie aus ihrer je eigenen spirituellen Quelle gelebt wird, war mit Händen zu greifen. Und dass unterschiedliche Bekenntnisse nicht trennen müssen, sondern vereinen können, ist eine Erfahrung, die ich Vielen wünsche.

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6 Kommentare zu Überwältigt ob des grossen Geschenks

  1. Ich wett ich wär däbii… Danke der Zeilen.
    Thomas

  2. Maja Peter sagt:

    Lieber Christian
    ein offensichtliches Geschenk Gottes ist euch da zugefallen, sehr berührend….. Ich habe Peter Cunz letzthin in der Sendung „Sternstunden“ gesehen, es hat mich beeindruckt.
    Herzliche Grüsse an die ganze Pilgergruppe Maja

    • Christian Rutishauser sagt:

      Liebe Maya
      ja, im Zusammenhang mit der Ausstellung zur Mystik im Rietbergmuseum in Zürich, die vor kurzem eröffnet wurde, hat man Peter Cunz porträtiert. Die Ausstellung soll sich lohnen.
      Mit liebem Gruss
      Christian

  3. Walser Artur sagt:

    Hallo Christian

    Ich erinnere mich an den Besuch von Konja auf unser gemeinsamen Türkeireise.Heimweh kommt auf.
    Frage: Warum gibt es unter denPfarrern der beiden Landeskirchen so wenig spirituelle Menschen?Die nehmen das Wort Gott laufend in den Mund so als ob man ihn im Kühlschrank aufbewahren könnte….
    Weiter gutes Gelingen.
    Liebe Grüsse
    Artur und Margrit

    • Christian Rutishauser sagt:

      Lieber Arthur, liebe Margrit
      ja, ich habe mich natürlich auch an unsere Reise erinnert. manchmal kann ich kaum glauben, dass ich zu Fuss da hingegangen bin, wo wir sonst mit Flugzeug und Bus hinkommen!
      Zur Frage mit den Pfarrern: Ich wünsche mir auch mehr geistlich reife Menschen und hoffe, dass in der Ausbildung in Zukunft mehr Wert auf spirituelle Bildung gelegt wird. Die Zeichen stehen besser als auch schon.
      Mit einem lieben Gruss
      Christian