Nachdenken im Schlafsack

Die Sesshaften mögen an ihren freien Tagen wandern oder Sport treiben, die Pilger jedoch ruhen in ihrem Gastzimmer. Das kleine Bergdorf Derbent im Regen liess mich denn heute auch sieben Stunden im Schlafsack liegen, mal lesend, mal schreibend, mal einen Vortrag hörend und auch schlafend.
Die Bilder von den Ausschreitungen in Kairo, wo Kopten gegen die Zerstörung einer Kirche demonstrierten und dann angegriffen wurden, wie auch die Nachrichten vom blutigen Niederschlagen der Demonstrationen in Syrien, das gestern wieder über 30 Tote gefordert hat, liessen in mir ein Gefühl der Ohnmacht aufkommen. Was heisst es für unser Pilgern? Was heisst es für meine Überzeugung, gewaltlos zu kämpfen? Was ist unsere Aufgabe als Christen des Westens im Vorderen Orient? Es ist nicht das erste Mal, dass ich mir die Fragen nachdenklich stelle. Doch angesichts der aktuellen gesellschaftlichen Situation stellen sie sich unweigerlich neu ein. Dabei tönt der Ruf des Muezzins von der Moschee nebenan in meinen Ohren. Die Antwort für heute: Wir pilgern morgen weiter für Gerechtigkeit und Frieden.

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7 Kommentare zu Nachdenken im Schlafsack

  1. Helen Hochreutener sagt:

    Lieber Christian
    An unserem Vertiefungsabend „Exerzitien im Alltag“ am nächsten Mitt-woch in Interlaken werden wir euer Anliegen „für mehr Frieden und für mehr soziale Gerechtigkeit in der Welt“ und insbesondere im Nahen Osten mit in die Meditation nehmen. So seid ihr nicht alleine unterwegs. Es ist auch unser Anliegen.
    Ich bin beeindruckt über den Weg, den ihr bereits in eurem Pilgerprojekt zurückgelegt habt. Hut ab! Weiterhin viel Erfolg.
    Liebe Grüsse an alle.
    Helen

    • Christian Rutishauser sagt:

      Liebe Helen
      Wir werden ja auch besonders mit Euch verbunden sein. Es gilt einfach daran zu bleiben. Und dass Du dies auch täglich tust, weiss ich ja!
      Mit herzlichem Gruss an alle, die die Exertitien machen
      Christian

  2. Pia sagt:

    Lieber Christian,
    der Blog hat so viel Teilnehmende.
    Können wir nicht gemeinsam einen Tag dieser Woche zum Gebetstag für ein versöhntes Zusammenleben der muslimischen Gläubigen in Ägypten,
    Vorderem Orient und Nordafrika mit den christlichen Geschwistern machen?
    Mit liebem Gruß
    Pia

    • Christian Rutishauser sagt:

      Liebe Pia
      Viele die Blog lesen tragen unsere Anliegen schon in ihrer Meditationspraxis und in ihren Gebeten. Ich bin sicher, dass sie es auch in diesen Tagen tun.
      Mit einem lieben Gruss
      Christian

  3. Klaus sagt:

    Liebe Pilger und Pilgerinnen!
    Bin fasziniert von Euren Einstellungen und Erlebnissen, besonders auch deshalb, weil ich mich im nächsten Jahr selber auf den Weg machen werde. Also verschlinge ich jeden Tag Eure Nachrichten.
    Soweit der Kommentar.
    Kann man Euch auch Fragen stellen?
    Z. B. wie Ihr es technisch schafft, jeden Abend ins Internet zu kommen, selbst in den kleinsten Dörfern? Wie Ihr es schafft, immer auf der Höhe der Zeit zu sein? Und vor allem: Ist die Technik für Euch eine Hilfe oder setzt sie Euch nicht einem großen Stress aus, jeden Abend der ganzen Welt erklären zu müssen, was Ihr gerade heute gedacht und gemacht habt? Was ist veröffentlichbar, was nicht? Habt Ihr keine Angst davor, in die Facebook-Ecke gedrückt zu werden: soviel wie möglich von mir ins Internet, weil`s mir Spaß macht?
    Wie steht eigentlich Professor Mali zum Internet? Seine trockenen, sachlichen, fast ein wenig ironischen Berichte („Heute keine Strecke.“…) zeugen doch von großer Distanziertheit oder nicht?
    Ein Zeitungsreporter meiner Stadt hat mir gesagt, wenn ich im nächsten Jahr nach Israel ginge, müsse ich unbedingt einen Blog einrichten.
    Muss ich das? Oder soll ich lieber Netbook und Garmin zu Hause lassen?
    Deshalb meine Fragen an Euch!!
    Schalom
    Klaus

    • Christian Rutishauser sagt:

      Lieber Klaus
      Du stellst wichtige Fragen, die sich jeder Pilger stellen muss. Für uns als Christen ist Spiritualität nicht einfach eine individuelle Sache oder eine Beschäftigung neben andern wie Musik hören, Sport machen oder so, sondern sie bedeutet, das ganze Leben vom Spiritus Sanctus prägen zu lassen, also auch die Technik. So benutzen wir IPhone und IPad. Natürlich könnten sie Zerstreuung bringen und gegen ein Pilgerleben stehen. Doch wenn wir sie gewählt einsetzten, ist da nichts Nicht-Spirituelles dabei. Nach den Stunden des Gehens tut das Schreiben und Teilen gut. Nicht die Neuigkeiten, die zerstreuen, lese ich in den Nachrichten, sondern die wenigen Informationen, die zu unserem Anliegen gehören: Wie es in den Ländern geht, durch die wir gehen oder was Kunst, Literatur und Musik zu unseren Anliegen zusagen hat. All das dosiert und ausgewählt, wie das, was wir von uns im Internet mitteilen. Nicht narzistischer Exhibitionismus oder Alltagsbanalität zur Unterhaltung, sondern konkrete Geschichten, die es ermöglichen, emotional mitzugehen, oder geistliche Anstösse oder inhaltliche Reflexionen, möchten wir geben. Manchmal gelingt es besser, manchmal weniger.
      Dies nur einige Notizen zu unserer Philosophie und zur Arbeit, die wir gerne für alle Blogleser und Blogleserinnen machen. Wir möchten vernetzen und inspirieren, Anregungen geben und nachdenklich machen. Falls Dir dies auch ein Anliegen ist, ist auch für Deine Israelreise ein Blog ein gutes Mittel. Doch man kann auch ganz anders reisen und pilgern.
      In herzlicher Dankbarkeit für die Fragen, die so zentral sind für jedes geistliche Leben.
      Christian

      • Klaus sagt:

        Lieber Christian!
        Ganz herzlichen Dank für Deine fundierten, ehrlichen und helfenden Worte.
        Euch weiter Gottes Segen auf Eurem Weg.
        Klaus