„Ramazan in Europa“

Wir sind in den letzten Tagen des Monats Ramadan und obwohl die Türkei ein säkularer Staat ist, halten sich hier in Edirne viele Menschen ans Fasten. Sie sitzen tagsüber an den leeren Tischen in den Cafes und Restaurants und reden miteinander. Wir hatten am frühen Abend Hunger und so ging ich zum Rezeptionist und fragte, ob wir schon irgendwo essen könnten. Dieser entgegnete fast etwas aufgebracht: „Klar können sie überall jetzt schon essen. Hier in Edirne sind wir liberal. Hier sind wir schliesslich in Europa.“ Bei dieser Antwort musste ich doch schmunzeln. War sie eine Information, die die Wirklichkeit beschreibt? War sie ein Selbstbild, das er einem Westler geben wollte? Oder war diese Aussage ein Ausdruck seines Wunschdenkens?
Wir gingen in ein kleines Lokal um die Ecke, das uns empfohlen wurde und assen die für Edirne traditionelle Leberpfanne. Es war seltsam draussen zu essen, wenn alle Passanten und übrigen Menschen, die in den Lokalen sitzen, fasten. Doch mit Einbruch der Dunkelheit ging das Fest mit Essen in allen Gassen und in den Pärken und vor den Moscheen los. Es war nicht nur das übliche Fastenbrechen am Abend, sondern zugleich das Fest der Herabkunft des Koran. Da war es klar, dass ich den Tag damit beschloss, in der festlich erleuchteten Eski-Moschee noch dem Nachtgebet beizuwohnen.

Dieser Beitrag wurde unter Muslime, politisch veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

2 Kommentare zu „Ramazan in Europa“

  1. Sr. Lydia Schranz, Bern sagt:

    Lieber Christian
    Immer wieder lese ich Eure Berichte und erzähle in der Schwesterngemeinschaft davon. So kann ich ein Stück mitpilgern. Ich kenn die Türkei durch Freunde, die einige Jahre dort lebten. Den Ramazan spüren wir bei Mitarbeitenden, die während des Tages fasten. Ich bin froh, dass sie abends essen können, da sie den Tag hindurch nicht die gleiche Energien haben wie sonst. Dir, Euch wünsche ich weiter viele gute Begegnungen und dazu Engel, die Euch behüten, Sr. Lydia

    • Christian Rutishauser sagt:

      Liebe Lydia, hier in der Türkei liegt das Leben im Ramazan nicht lahm wie in Ägypten oder andern arabischen Ländern, doch es ist verlangsamt. Sicher ist es ein Gemeinschaftserlebnis für die Muslime, doch gesund für de einzelnen erscheint es mir nicht. Ich bin froh, dass ich als Christ nicht so fasten muss. Mit einem lieben Gruss und in Verbundenheit, Christian