Roman, ein „Jerusalempilger“ unterwegs nach Assisi

Gestern Abend stiessen wir im Restaurant, gleich als wir eintraten, auf Roman, einen polnischen Pilger. Er sass am Tisch, verschwitzt, mit Pilgerstab und Rucksack, einem iPhone und einem Pilgerbuch und war somit gleich zu erkennen. Wir luden ihn zum Abendessen ein, und er begann zu sprudeln und voll Begeisteung seine Geschichte zu erzählen: Während einer seiner Kollegen in Moskau und ein anderer in Fatima aufgebrochen sind, ist er in Jerusalem gestartet. Alle drei wollen am 27. Oktober in Assisi sein, wenn Papst Benedikt das 25-Jahr-Jubiläum des interreligiösen Friedensgebets von Johannes Paul II. begeht. 1986 hatte dieser Ende Oktober – wiederum in Erinnerung an das Zweite Vatikanische Konzils, das das Dekret zum Dialog der Religionen Nostra Aetate am 28. Oktober 1965 verabschiedet hatte – die Oberhäupter und Vertreter der Weltreligionen zu einem Friedensgebet nach Assisi eingeladen. Roman zeigt uns eine Holztafel mit den Zeichen der drei monotheistischen Religionen und eine Dekleration mit dem Titel „Für eine Zivilisation der Liebe“, ein Ausdruck von Papst Johannes Paul II. Es entwickelte sich während des Essens zwischen uns vier Pilgern und Roman ein interessantes Gespräch zu Religion und Politik. Roman, ein Midvierziger, outet sich als ehemaligen IBM- Manager, der zum katholischen Glauben gefunden hat und nun sein ganzes Engagement dem Wiederfinden von christlichen Werten für Europa widmet. Der Eifer eines Neubekehrten und charismatischen Suchers nach seiner neuen Lebensaufgabe haftet ihm noch an. Doch ganz angenehm und spannend war die Begegnung.
So oft waren für uns Pilger „Engel“ da, die weiter halfen, dass wir wussten, wir haben nun „Engel“ für Roman zu sein. Er pilgert ohne Geld und lässt sich noch radikaler von Gottes Vorsehung führen als wir. So fragen wir ihn rhethorisch, wo er schlafe, und laden ihn danach zu uns ins Hotel ein, wo wir für ihn ein Zimmer übernehmen. Frisch geduscht, kommt er vor dem Zu-Bett-Gehen noch zu einer Beichte, die ein längeres geistliches Begleitgespräch wird. Ich verabschiede mich und gehe nun später schlafen als üblich. Während wir vier Pilger um 5.00 in der Früh schon aufbrechen, kann Roman die Nacht im Hotelzimmer noch länger geniessen. Wer weiss, wo er heute Abend sein Haupt hinlegen kann.

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2 Kommentare zu Roman, ein „Jerusalempilger“ unterwegs nach Assisi

  1. Karsten Gerber sagt:

    Lieber Christian,
    vielen Dank für Eure lieben Grüße aus Sofia.
    Die Nachricht von Roman hat mich schwer beeindruckt. Wie ist es überhaupt möglich, dass jemand ohne Geld so weite Strecken pilgern kann? Wie macht er das ohne Geld für Verpflegung und Übernachtung?

    Wie benutzt Du Dein iPhone und iPad, ohne im Ausland die hohen Roaming-Gebühren zahlen zu müssen? Welches iPhone hast Du? Ich habe noch ein altes iPhone 3G.

    Alles Gute Euch,
    Karsten

    Viele Grüße
    Karsten

    • Christian Rutishauser sagt:

      Lieber Karsten
      Die Pilger sind tatsächlich nicht von der Welt. Die Frage des Geldes stellt sich immer wieder. In der Pilgergruppe hatten wir gerade gestern, als wir auf die Begegnung mit Roman zurück blickten, ein intensives Gespräch über Armut, die aus spirituellen Gründen gewählt wird, und über Armut als soziale Frage. Auch wir können nur Dank grosszügiger Unterstützung diesen Blog betreiben und so alle an unserem Pilgerprojekt teilhaben lassen. Dies ist von sehr grossem Wert und wir sind voll Dankbarkeit.
      Mit herzlichem Gruss, Christian