ein Sonntag wie wir ihn lieben

Die vergangenen Sonntage – es war wie der Wurm drin – waren immer von den strengsten. Deshalb juhui, heute, so kündigt Franz an, sind es nur 24 Kilometer. Wunderbar, aber Bauchschmerzen macht uns schon, dass wir an dieser extrem befahrenen Hauptstrasse (Achse: Österreich, Deutschland, Bulgarien, Türkei) entlanglaufen müssen. Na gut. Wir lassen uns frühmorgens vom Wirt, der uns böse übers Ohr gehauen hat mit dem Preis, in unser Dorf zurückfahren, laufen ohne Rucksäcke schnell zum Motel zurück und frühstücken mal gemütlich. Herrlich, es gibt Spiegeleier, Tomate, Gurke und Brötli. Kurz vor dem Loslaufen fällt Franz auf, dass in der heutigen Route wieder irgend ein Berg drin sein muss und kommt zum sinnigen Schluss, dass wir unter diesen Umständen auf einer Seitenstrasse laufen. So ist es. Wir sind richtig begeistert über die praktisch unbefahrene Passstrasse, die uns in die schönste serbische Hügellandschaft bringt. Schmetterlinge umtanzen uns. Und vergnügt über dieses überraschende Geschenk schreiten wir voran, nicht aber ohne einen richtig fetzigen Streit über – wie sollte es anders sein – missverstandene Missverständnisse auszutragen, um dann nach einer eher distanzierteren Weiterlaufphase uns ins hohe Gras zu setzen und jetzt der Reihe nach und innerlich abgekühlter das Ganze nochmals zu betrachten. Gut wars, finden alle, also auf, nur noch 6 km bis zum Pass und da wollen wir Eucharistie feiern. Aber oha, wo um Himmels Willen, gibt es in dieser herrlichen Gegend Wasser? Irgendwo taucht eine Art Ferienhaus auf und wir werden zum Kaffee eingeladen. Wir aber wollen Wasser, bekommen es nicht, dafür die Zusage, es gäbe oben, weiter oben eine Quelle. Gut. Weiterlaufen. Und tatsächlich: kurz vor der Passhöhe finden wir die Tränke für Mensch und Vieh. Weil wir gerade recht müde und hungrig sind, packen wir unsere Vorräte aus und machen Picknickpause. Auf der Passhöhe dann, wie vorgesehen feiern wir Gottesdienst in herrlichster Landschaft. Anschliessend möchte Esther fünf Minuten schlafen. Klar, kein Problem. Bis zum Zielort sind es nur noch 4 km. Hildegard schlägt vor, nicht der Strasse entlang, sondern mitten durch die gemähten Wiesen weiter zu laufen. Franz fühlt sich für solche Experimente ausserstande. Er kann sich aber, da die Strasse weiter unten immer noch sichtbar ist, doch darauf einlassen. Herrlich, dieses kleine Stück im trockenen Gras. Aber heiss. Es ist unglaublich heiss, eigentlich schon den ganzen Tag lang. Und schon treffen wir im besagten Dorf ein, laufen hindurch. Allen ist klar, dass in einem solch halbverfallenen Weilerchen ohne jegliche Infrasturktur nicht nach Unterkunft gefragt werden muss. Bis zum nächsten Dorf also weiter. Das Wasser ist knapp. Es ist heiss. Das nächste Dorf gibt es nicht wirklich. Das Wasser ist alle. Wir beginnen den einzelnen Häusern nachzugehen, aber da bellen uns nur Hunde entgegen. Mann, ist es heiss und Pause bräuchten wir dringendst. Da, Christian entdeckt eine Frau, die uns an ihrem Brunnen auftanken lässt, dann im Schatten ihre Stühle anbietet und uns schliesslich hausgemachte Pita anbietet. Wir sind glücklich. Aber – wir müssen weiter, noch über 10 km bis Pirot, weil es erst da was gibt. Aus der easy 24-er-Tour wird schon wieder eine 36-er. Franz, dieser Schlaumeier, schafft es einfach jeden Sonntag, uns ein Monsterprogramm unterzujubeln. Dass Hildegard 4 km vor dem Ziel noch einen leichten Schwächeanfall erlitt, kein Auto und kein Taxi halten wollten und sie sich dank des aufgespannten Regenschirms von Esther wieder zu Kräften kam, sei hier nicht mehr erwähnt.

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6 Kommentare zu ein Sonntag wie wir ihn lieben

  1. Rita Schawalder sagt:

    Unsere Lieben
    Bei uns war heute reichlich Wasser vorhanden – es hat einmal mehr geregnet. Nun – ich bin einmal mehr beeindruckt von eurer körperlichen, geistigen und seelischen Leistung. Ich freue mich jeden Abend euren Blog zu lesen und gehöre somit wohl zu den rund 3000 anderen MitleserInnen.
    Esther – dein „Blog-Humor“ ist bewundernswert und tut gut!
    Euch allen von Herzen weiterhin eine gute Zeit und Gottes Segen, eure treue Leserin Rita Schawalder

    • Esther Ruethemann sagt:

      Hey liebe Rita,
      ich wusste gar nicht, dass du auch mit dabei bist – wie schön!
      Uns freut es wirklich, wie viele Menschen mit uns gehen, das ist wunderbar und tut gut. Herzlichen Dank und ä gueti Nacht,
      Esther
      PS: lieber Gruss an Franz

  2. Hermann Simon sagt:

    Liebe Hildegard,
    es ist Zeit, mich mal wieder zu melden – bin heute von einem Exerzitienkurs in Vierzehnheiligen zurück gekommen, eine andere Weise des „Pilgerns“ 😉
    Mit Spannung verfolge ich euren Weg und eure Berichte über eure Erfahrungen. Ein „leichter Schwächeanfall“ – das lässt aufhorchen und die Länge der Wegstrecke riecht nach „Sonntagsarbeit“ oder? Na ja, vielleicht hätte der Lavendelduft die „Schwäche“ vermeiden helfen.
    Euere Route führt durch für mich absolute „terra incognita“ und eure Berichte bestärken meinen Eindruck: ihr traut euch was! Gut so!
    Weiter mit euch verbunden, „pilgernd und betend“,
    Hermann (auch einer von den 3000 🙂

  3. Lea sagt:

    Liebe Hildi,
    Das mit dem Schwächeanfall gefällt mir nicht so, ich hoffe Du fühlst Dich wieder besser. Ich frage mich, woher denn Esther einen Regenschirm hatte?
    So unvorhergesehene Monstertouren sind sicher nicht ganz einfach zu bewältigen, ich staune über eure Kraft! Habt ihr schon einmal unter freiem Himmel schlafen müssen?
    Wir waren heute am Rhein, so ziemlich genau dort wo wir euch verabschiedet haben. Es regnete praktisch die ganze Zeit und wir fanden unter der Brücke Schutz vor der Nässe – die Kinder spielten im Sand und wir lasen ein wenig. Euren Blog lesen wir beide regelmässig, es ist schön euch so im Stillen begleiten zu können!
    Alles Gute, hoffentlich weniger unvorhergesehene Monstertouren und dafür ruhigere Sonntage wünsche ich euch!
    Lea

  4. LausA sagt:

    Liebes Hildi, derweil ihr schon wieder längst unterwegs seid schicke ich dir Kraft für den neuen Tag, eine kühle Brise aufdass wieder Wasser, Früchte, eine Dusche zum Erfrischen, ein Bett zum Ruhen nach deinen Wünschen und deiner Vorstellung eintreffen. Höre auf deinen Körper, vielleicht will er dir etwas mitteilen! Eine herzlich Umarmungungungunggg!

  5. Josef Sonderegger sagt:

    Liebe Hildegard,
    Ich möchte dir und der ganzen Pilgergruppe ganz herzlich für die Ansichtskarte aus Osijek danken. Da ich ja am „Mali Diktator“ Wettbewerb teilgenommen habe, bin ich sehr erfreut, dass ich Post von euch erhalten habe.
    Ich wünsche euch weiterhin viel Glück, viele schöne Begegnungen und viel Durchhaltewillen auf eurer langen Reise. Ich bin immer wieder gespannt auf eure Neuigkeiten auf eurem Blog.
    Herzliche Grüsse an alle von
    Josef