Im Gänsemarsch

Oft laufen wir im Gänsemarsch den Hauptstrassen entlang, es ist lärmig, reden geht nicht. In diesem schweigenden Hintereinander übe ich das Herzensgebet: Herr, Jesus Christus, Sohn Gottes, erbarme dich unser.
Worte zu beten und im Takt der Stöcke und im Einklang mit dem Atem zu meditieren gelingt mir nicht. So habe ich angefangen das Herzensgebet im Stillen zu singen, nach der Melodie des Stundengebets: Jesus Christus, du Sohn des lebendigen Gottes erbarme dich unser. Jesus Christus, du Sohn des lebendigen Gottes erbarme dich unser.
Und es klappt, wie eine liegende Acht zeichnet sich das Gebet vor mir und geht mit. Immer wieder aber werde ich abgelenkt:
„Lueg mol die gross Industrie döt une!“ „Wahnsinnig, sicher Holzverarbeitig.“
Jesus Christus, du Sohn des
Hundegebell, ich erschrecke und falle aus dem Gebet – also wieder anfangen:
Jesus Christus, du Sohn des lebendigen Gottes, erbarme ich unser…
Ein freundliches: „Dober dan“ (Guten Tag) über den Gartenzaun, lässt uns anhalten und ein paar Worte wechseln.
Jesus Christus, du Sohn des lebendigen Gottes, …
„Wie gots ächt dä Claudia? Und ich will hüt Obig no äs Mail schriebe.“
Wieder zurück: Jesus Christus, du Sohn des lebendigen Gottes, erbarme dich unser. Jesus Christus,
„Wow, hüt duet mir aber dä Ferse weh. Hoffentlich gots bald verbi.“
Jesus Christus, du Sohn des lebendigen…
„Franz isch no wit? Wieviel sind mer scho glaufe?“ „15 Kilometer.“
Jesus Christus, du Sohn des lebendigen Gottes, erbarme dich unser. Jesus Christus, du Sohn des lebendigen Gottes, erbarme dich unser.
Jesus Christus, du Sohn des lebendigen Gottes, erbarme dich unser.
„Was söll ich denn hüt im Blog schriebe?“
Jesus Christus,…

Und ich bleibe dran und übe, und übe, und übe – und freue mich wenn es klappt.

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10 Kommentare zu Im Gänsemarsch

  1. juliana sagt:

    ja üben macht den Meister, sicherlich kennen sie dieses Sprichwort. ich wünsche viel Freude beim üben.

    • Esther Ruethemann sagt:

      Ja, liebe Juliane
      Üben, üben, üben – ich wede dran bleiben. Ob eine Neisterin draus wird, werden wir sehen 😉
      Herzlichst Esther

  2. Eva sagt:

    Wow! Deine Zeilen haben mich tief „umgerührt“. Danke.

    • Esther Ruethemann sagt:

      Liebe Eva,
      das freut mich. Dir einen herzlichen Gruß aus Serbien Esther

  3. Christian Bachmann sagt:

    Liebe Esther. Wenn ich bedenke, wie intensiv Du beim gestrigen Marathon mit den Füßen gebetet haben musst, darfst Du sicher sehr nachsichtig mit Dir sein, wenn’s mit dem Herzensgebet nicht immer klappt. Mich beeindruckt schon, dass Ihr nach so einer Etappe noch an’s Blog-Schreiben denken könnt. So wünsche ich Euch weiter gute Wege und hoffe, Ihr könnt irgendwie doch auch den 1. August feiern. Herzliche Grüße, Christian

    • Esther Ruethemann sagt:

      Lieber Christian,
      für mich ist das Schöne, dass es mir ganz einfach gelingt wieder ins Gebet zu finden und das das gut und befreiend ist.
      Wir feiern in einer Autobahnraststätte im Motel 😉 billig und sauber, was wollen Pilger mehr? Leider fanden wir nirgends Unterschlupf, hier brauchen die Menschen, so scheint es uns, keinen Nebenverdienst und es gibt wie keine Organisationen, die uns einen Raum geben könnten. Spannend, wie das weiter geht.
      Herzlichst Esther

  4. LausA sagt:

    Liebe Esther, deine Erfahrung mache ich fast nächtlich, ohne dass mich Sehenswertes oder Mitmenschen vom Gebetgedanken ablenken. Dann bin ich jeweils auch froh, meine Gedanken das kurze Herzensgebet lang unter Kontrolle zu halten. Ich wünsche dir noch viele ganze davon.

    • Esther Ruethemann sagt:

      Liebe LausA,
      für mich ist es ein besonderes Geschenk, dass ich, auch wenn die Gedanken abschweifen, nicht herausfalle, sondern dass das Gebet in Herzen einfach mit- und weiterschwingt und ich genauso schnell wieder dort bin, wie anderswo. Sisch eifach guet und ich freue mich!
      Herzlichst E

  5. Werner sagt:

    Liebe Esther
    Ich bin etwas erschüttert über dein Herzensgebet. Dieses hat vielleicht einem russischen Pilger gut getan. Aber: was hast du denn „verbrochen“? Wofür verdienst du „Erbarmen“? Und dies un- oder -unterbrochen?! Ich würde einen positiven Gedanken vorschlagen, der inhaltlich immer wieder neu gefüllt wird: „Gott, Schöpfer aller Dinge, wie wunderbar sind deine Werke, ich danke dir dafür“.
    Und in den Dank kann man alles hineinfügen: sich selbst, die Mitpilger, die Umwelt, die Menschen, die man antrifft, die Blogleser und Wohltäter und und und…
    Herzlich, Werner