Gedankenarbeit – eine Form des Trainings

Gedanken, die sich heute auf dem Weg zwischen Fribourg und Schwarzenburg ohne zu fragen und ungehindert breit machten, lauteten ungefähr so:
Was, wenn sich weiterhin, wie in den vergangenen Wochen regelmässig, aufgrund eines gehabten Fusspilzes, Blasen an der grossen Zeh bilden?
Was, wenn dieses Pochen am Knie nicht verschwindet?
Was, wenn ich einen „Wolf“ einmarschiere?
Was, wenn ich die Hitze einfach nicht ertrage?
Und was, wenn…
Ein ganz mulmiges Gefühl folgte dieser Gedankenkette und auch es wollte sich ungehindert und masslos breit machen.

Halt! rief ich innerlich. So geht das nicht! Meine Mutter fiel mir ein, die einst quengelnde Kinder mit Leichtigkeit ablenken, auf andere Gedanken und Fährten leiten konnte.

So sah ich plötzlich:
Das Violett der Storchenschnäbel am Wegrand. Welche Farbe!
Das fast aufdringliche Gelb der blühenden Rapsfelder. Etwas dominant, aber unglaublich!
Kühe, die sich im verblühten Löwenzahn wiederkäuend räkelten. Unverschämt, ich möchte auch einen Mittagsschlaf.
Eine Glyzinie, die begonnen hatte, in die nahe Tanne einzuwachsen. Faszinierend, diese Eroberungsfreude.
Etc. etc.

Und flugs wich das Düstere einer fröhlichen Leichtigkeit. Die Blase an der grossen Zeh blieb heute aus.

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4 Kommentare zu Gedankenarbeit – eine Form des Trainings

  1. Barbara Jäger sagt:

    Liebe Hildi
    Das macht mir so Freude, deine Gedanken lesen zu dürfen und daran teilhaben zu können. Wie wahr sie sind! Und dieses Halt! Ich vergesse manchmal auch, dass ich Macht habe einzugreifen in meine Gedanken. Doch wenn ich es tue, ist es wohltuend. Ich werde handlungsfähig und bin den Gedanken nicht mehr ohnmächtig ausgeliefert. Wir haben letzte Woche noch über ein anderes Wort unserer Mutter gesprochen: Das lassen wir in die Nähe kommen. Gell, das gilt auch für die Jerusalempilgerei. Die lassen wir in die Nähe kommen. In einem Monat ist es so weit! Ich freue mich für dich, für euch. Barbara

    • Hildegard Aepli sagt:

      Barbara, oh ja, und wie diese Nähe jetzt einwirkt. Hab grad ein wenig Herzklopfen! Gestern hat Franz übrigens seinen Rucksack erstmals gepackt. Mit viel Erfolg: erstens hat er alle Siebensachen beieinander und zweitens ist sein Rucksack noch keine 10 kg schwer.

  2. Elisabeth sagt:

    Liebe Hildegard,
    eine gute Idee, die Du da teilst im Umgang mit der verstehbaren Angst, die stets vor größeren Projekten unser Herz beschleicht. Geht es dabei nicht auch um die Angst vor dem Leiden, was uns erwartet auf dem Weg des Pilgerns hin zu IHM? Die Angst vor dem Kreuz, das ER uns auferlegen wird. So habe ich ja auch vor dem Pilgern versucht, durch Training, beste Wanderschuhe, Blasenprohylaxe usw. mögliches körperliches Leid von meiner Seite aus in Grenzen zu halten. Doch was nützt es? Wir wissen nie, welches Kreuz er uns auferlegen wird: Das des körperlichen Leides, oder ist vielleicht das Kreuz für uns viel größer, einsehen zu müssen, einen Teil der Strecke per Bus absolvieren zu müssen oder das Kreuz, gar nicht mehr weiterpilgern zu können, mich ganz lösen zu müssen von dem eigenen Wunsch eines Pilgermarsches, meinen Vorstellungen und Plänen, die nicht SEINE sind?
    Wir wissen vorher nicht, welches Kreuz auf uns zukommt und oft wissen wir selbst im Nachhinein nicht, was das eigentliche Kreuz war, das uns hat näher wachsen lassen gerade da-durch hin zu IHM. Nur eines wissen wir: Das er das Kreuz, das er uns auferlegt, vorher sorgsam in seinen Händen wiegt, damit es nicht zu groß ist, so daß wir es tragen können und nicht zu klein, das es uns wachsen läßt hin zu IHM. Liebevoll wiegt er es ab in seinen Händen, betrachtet es zum Schluß zärtlich, bevor er es uns gibt. ER liebt Dich nämlich. ER liebt Euch nämlich.
    Elisabeth

    • Hildegard Aepli sagt:

      Ja, Elisabeth, das stimmt, manche Überlegung der Vorbereitung ist Prophylaxe, um gewissem Leiden begegnen, es mildern oder erträglicher gestalten zu können. Das, was uns dann effektiv plagen wird, kann etwas ganz anderes sein. Im Interview gestern haben wir über allerhand Gefahren des Weges gesprochen. Schön war für mich zu spüren, dass niemand von uns mit dem Ehrgeiz dieses Pilgerprojekt angeht, dass uns nichts passieren dürfte. Wir wünschen uns, dass es uns geschenkt sein wird, zusammen den Weg zu bestehen.